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Jahresrückblick - Unsere Erfahrungen mit Corona im letzten Jahr

Jacqueline Bröhl
Jacqueline Bröhl schrieb am 12.01.2021

Zu Beginn des Lockdowns im Frühjahr waren wir als Beraterinnen vor allem für Frauen und Mädchen gefragt, die bereits in einem Beratungsprozess mit uns waren oder diesen eigentlich abgeschlossen hatten. Viele Frauen und Mädchen empfanden mit der gesellschaftlich verordneten Isolation über Wochen ein Ausgeliefertsein, das Erinnerungen an traumatische Erfahrungen wachrief. Später gingen die Beratungsanfragen leicht zurück, dann hatten wir viele Beratungsanfragen vor allem auch von Frauen mit einer psychischen Beeinträchtigung und von Frauen und Mädchen mit der Erfahrung von Flucht und Migration. 

Insgesamt sind die Zahlen bei uns jedoch bisher nicht angestiegen. Da unser Schwerpunkt die sexualisierte Gewalt ist, könnte dies daran liegen, dass aufgrund der Kontaktbeschränkungen Möglichkeiten für Übergriffe vor allem während des Lockdowns reduziert waren/sind (geschlossene Schulen, kein Vereinsleben, Homeoffice, kein Urlaub, keine Feiern etc.).Allerdings gab es eine auffällig hohe Zahl an Frauen, die aufgrund früherer sexualisierter Gewalterfahrungen bereits schwere psychische Beeinträchtigungen haben und durch die Corona Situation getriggert und in akute seelische und psychische Not geraten sind. Diese Frauen fallen immer wieder durchs soziale Netz, weil es nicht genug niedrigschwellige psychiatrische Angebote und Anlaufstellen gibt. Diese Frauen haben in den letzten Monaten, vor allem im und um den Lockdown herum, gehäuft bei uns nachgefragt. Auch ehemalige Klientinnen haben sich öfter als üblich wieder hier gemeldet, weil sie durch die beängstigende gesellschaftliche Situation destabilisiert wurden.

In den ersten Wochen des Lockdowns hatten wir mit erweiterten Sprechzeiten unser Beratungsangebot zunächst ganz auf die telefonische und die Online-Beratung umgestellt, seit dem Sommer bieten wir auch wieder persönliche Beratung an und möchten künftig auch Video-Beratung anbieten. Wir setzen in der Beratung zwar sehr verantwortlich die Hygiene- und Abstandsregeln um, seit den verschärften Bedingungen im Herbst bemühen wir uns aber wieder verstärkt, persönliche Beratung wo es geht zu vermeiden. Nicht zuletzt wegen des Risikos der Quarantäne: Eine Kollegin musste sich nach dem Kontakt mit einer Klientin in häusliche Isolation begeben, glücklicherweise ohne selbst infiziert worden zu sein.Trotzdem bieten wir nach wie vor auch persönliche Beratung an, weil es in manchen Fällen nicht anders geht und uns die bestmögliche Unterstützung der Frauen und Mädchen ein sehr großes Anliegen ist. 

Unsere Arbeit braucht einen intensiven Austausch mit unseren Netzwerkpartner:innen. Inzwischen gehören Telefon- und Videokonferenzen in unseren Arbeitsalltag. Auch Webinare sind inzwischen eine selbstverständliche Bereicherung für uns geworden. Bei allem, was natürlich fehlt, wenn es keinen persönlichen Kontakt gibt: Wir machen die Erfahrung, dass wir an vielen Stellen mehr Austausch und Fortbildung haben können, wenn die Fahrtzeiten wegfallen.  Über Spendengelder und die Corona-Hilfsprogramme von Stadt, Land und Bund konnten wir unsere digitale Ausstattung verbessern, Hygieneartikel kaufen und antivirale Luftfilter anschaffen. Damit haben wir sehr kurzfristig und relativ unbürokratisch Hilfe erhalten, die uns auch künftig die Arbeit sehr erleichtern wird.