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Mehr Geflüchtete stranden auf den griechischen Inseln

R. Henning
R. Henning schrieb am 21.09.2019
Vor kurzem erreichte uns dieser Bericht unser Helferin Yetta, die über die aktuelle Lage der Geflüchteten auf Lesbos berichtet: 

Lange Zeit fand die Situation der Geflüchteten auf der griechischen Insel Lesbos in den Medien nicht mehr viel Beachtung, was allerdings nicht bedeutet, dass sie sich in irgendeiner Weise verbessert hätte. Es kamen zwar über Monate verhältnismässig wenig Menschen an – viele gingen nach Samos und auf andere Inseln – doch der „Hotspot“ Moria war immer weit über Kapazität belegt. Geflüchtete, die zum Teil über Jahre hier auf ihre Interviews, oder Asylentscheidungen warten mussten, lebten die ganze Zeit schon unter unvorstellbar miesen Bedingungen.

Nun ist Lesbos wieder in der Presse. 13 Boote an einem einzigen Tag! In einer halben Stunde, um genau zu sein. 550 Menschen. Das ist eine Meldung wert. Tatsache ist, das eine solche Situation für die Helfer und Einsatzkräfte vor Ort natürlich eine große Herausforderung darstellt. Es gibt nicht genügend Decken, nicht genügend Platz, keine, oder unzureichende medizinische Versorgung. Die müden und zum Teil verletzten Menschen mussten lange ausharren, bis sie nach Moria gebracht wurden. Die Lage war chaotisch und unübersichtlich, wurde aber von den freiwilligen Helfern so gut wie möglich gemeistert, während das UNHCR und die Amtsträger sich wie immer als nutzlos bis hinderlich erwiesen.

13 Boote! Eine Meldung sicherlich, doch Tatsache ist, dass im August 3.922 allein auf Lesbos angekommen sind, im September bereits 1.006 Menschen. Fast jede Nacht zwischen 100–200 Menschen. Moria ist trotz einer verzweifelten Aktion der Behörden, in der 1.000 Geflüchtete auf das Festland, in ein Camp mit fast noch schlechterer Infrastruktur als Moria, gebracht wurden, völlig überfüllt. Neuankünfte schlafen auf dem Boden der Erstaufnahme, sogar Familien bekommen höchstens ein Zelt in die Hand gedrückt und müssen im „Jungle“, einem Nebencamp unterkommen. Man wartet Stunden, um auf die Toilette gehen zu können und mehrere Stunden in der Schlange zur Essensausgabe.

Der Winter ist deutlich näher, als die noch angenehmen Temperaturen es vermuten lassen. Container und Zelte sind übervoll. Im Bereich der unbegleiteten Minderjährigen sind mehr als 700 Kinder und Jugendliche untergebracht, versorgt von völlig überarbeiteten Sozialarbeitern.

Wenn es Ärger gibt, setzt die Polizei Tränengas ein, während es im Hauptcamp fast immer Ärger gibt und die traumatisierten Menschen in permanenter Angst vor Gewalt und Übergriffen leben müssen. Suizidversuche sind an der Tagesordnung, Psychologen gibt es kaum. Die überarbeiteten Ärzte geben Paracetamol und warme Worte, wenn überhaupt.

Natürlich stellen wir uns auf die Lage ein, versuchen verzweifelt, die Vorräte aufzustocken, Helfer zu trainieren. Wir versorgen die Ankommenden am Strand mit Decken und überzeugen sie, diese ins Camp mitzunehmen, da sie dort keine bekommen werden. Es fehlt an allem: Decken, Schuhe, Kleidung, Helfern, Zelten und Nahrung.

Die Unterstützer, die wie viele von uns schon länger vor Ort sind, wissen was als nächstes kommt: die Stürme im Herbst und dann irgendwann auch der nasse und kalte Winter in der nördlichen Ägäis.

Solange sich die politische Lage nicht ändert und die Menschen weiterhin auf den Inseln gefangen gehalten werden, bleibt uns nichts anderes übrig, als Nothilfe zu leisten und zu planen. Dafür werden dringend Unterstützer benötigt, die sich mit den lokalen Gegebenheiten und Strukturen auskennen, die Erfahrung im Umgang mit den ankommenden und hier (über)lebenden Menschen haben. Im Team von Volunteers for Lesvos sind derzeit 6 Freiwillige, die bereits seit vielen Monaten, oder sogar Jahren auf der Insel sind und in diversen Projekten entscheidende Positionen füllen. Campfire, Pikpa, NoBorderKitchen, One Happy Family – Community Center und LINKS – Solidarity Network Lesvos, werden vom Team unterstützt und haben so eine starke Basis an Erfahrung und Engagement, auf der sie ihre wichtige Arbeit leisten können. Kaum ein Projekt hat das Geld, um Langzeit-Volontäre finanziell, oder auch nur durch Unterbringung zu unterstützen, obwohl völlig klar ist, dass es solche Menschen braucht, um effektiv arbeiten zu können. Als Team sind wir in permanenten Austausch über die Entwicklungen auf der Insel, in den einzelnen Projekten und Organisationen. So können wir uns schnell auf Veränderungen einstellen und Kapazitäten besser nutzen. 

Unsere Arbeit ist wichtiger als je zuvor und wird es auch bleiben, selbst wenn Lesbos bald wieder aus der Presse verschwunden sein wird.
Helft uns!