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Deutschlands größte Spendenplattform

SprInt präsentiert: das Kieztheater Wedding

Nicole Reiner
Nicole Reiner schrieb am 23.05.2022

„Männer sind bloß Samenspender!“ — das ruft eine aufgebrachte Frau über den dritten Hinterhof in der Prinzenallee 25/26, sie ist fast zwei Meter groß und breit gebaut, hat langes graues Haar und stechende blaue Augen. Einen kurzen Moment herrscht große Verwirrung — vielleicht breitet sich sogar ein bisschen Furcht in dem Verfasser des Vorliegenden aus — aber bei näherer Betrachtung stellt sich heraus: die Frau ist in Wahrheit SprInt-Leiter Herbert, die langen grauen Haare bloß eine Perücke und sein Ausruf eine Dialogzeile aus dem Stück Amazonen von Thor Truppel, welches SprInt Anfang Juni auf die Bühne bringen wird; als Initiator des diversen Kieztheaters Wedding. Derzeit laufen die Proben, seit September letzten Jahres hat sich das Ensemble zusammengefunden, übt fleißig Dialoge und probt die einzelnen Szenen.



Warum Theaterpädagogik?
Unser Alltagsgeschäft besteht primär in Nachhilfe, Sprachförderung und Berufsberatung für Kinder und Jugendliche aus dem Kiez — viele von ihnen stammen aus Familien, die nur über wenig Geld verfügen und in denen zuhause kein Deutsch gesprochen wird, ein Zielgruppe also, die eher selten Theater spielt. Aus genau diesem Grund möchten wir sie in ihrer künstlerisch-musischen Entwicklung unterstützen: „In den letzten Jahren haben wir immer wieder Theaterstücke und Musicals mit unseren Schülern aufgeführt, da das Theater aus pädagogischer Sicht ganz hervorragende Eigenschaften besitzt, um sich positiv auf ihre Persönlichkeitsentwicklung auszuwirken: Theater fördert die Kreativität, Kompetenzen wie soziales Miteinander und Zuverlässigkeit, schafft ein Gemeinschaftserlebnis und schult das Sprachverständnis. Die Inhalte der Stücke lassen einen das Leben und die Gesellschaft besser verstehen, außerdem stärkt Theaterspielen das Selbstvertrauen, denn man erfährt Anerkennung für die künstlerische Leistung, die man vollbringt.“ erzählt Herbert, der bereits mit siebzehn Jahren das erste Mal Theater gespielt hat — „Das war das schönste Erlebnis meiner gesamten Schulzeit.“ berichtet er und seine Augen leuchten. Kein Wunder also, dass er unseren Kids aus dem Kiez eine ähnliche Erfahrung ermöglichen möchte. Bereits in den Jahren zuvor hat SprInt die Jugendmusicals „Streetkidz“, „Chicken-Tikka“ und „Die Wedding-Story“ auf die Bühne gebracht, 2019 sogar einige Szenen vor Bundespräsident Steinmeier aufgeführt. Dieses Jahr wird aber alles anders sein.

Kieztheater Wedding
Denn dieses Mal möchten wir nicht primär nur unsere Schüler mit unserem Angebot erreichen, sondern auch den gesamten Kiez; von jeher verstehen wir von SprInt den Medienhof-Wedding nicht bloß als Bildungseinrichtung, sondern auch als Ort der Begegnung, an dem Menschen verschiedenster Herkunft miteinander in Kontakt treten können; Muslime und Christen, Zugewanderte und Einheimischen, Akademiker und Arbeiter usw. usf.. Es spielen also nicht nur unsere Kids aus dem Kiez mit, sondern auch Erwachsene aus  der Nachbarschaft. Warum? „Ich wünsche mir mehr Zusammenhalt und Austausch innerhalb des Kiezes.“ erzählt Herbert, „Ziel war es also, eine schauspielbegeisterte Truppe zusammenzustellen, die gemeinsam an einem Ergebnis arbeitet: einer Theateraufführung im Medienhof-Wedding.“ Dieses Ziel haben wir erreicht: Das Ensemble besteht aus einigen SprInt-Eigengewächsen wie Bright, der die Hauptrolle des Achilles spielt, Luise de Smet, eine unserer studentischen Förderlehrerinnen aus Brandenburg oder Diallo, der bei uns seit einigen Jahren Deutsch lernt, nachdem er vor drei Jahren als unbegleiteter Flüchtling aus Guinea nach Berlin geflohen ist. Aber auch ein russischer Öl-Manager macht mit, Lehramtsstudenten, Hobbyschauspieler, zwei Punker und eine Krankenschwester, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Der professionelle Theaterpädagoge Kai O. Schubert führt Regie. Er hat bereits einige Stücke auf die Bühne gebracht — nicht nur an seinem Stammtheater, dem Morphtheater im Wedding, sondern auch in Sindelfingen, Wuppertal, Ingolstadt, Frankfurt an der Oder, Potsdam…

Das Bühnenbild, die Kostüme, Requisiten, die Maske und die Öffentlichkeitsarbeit werden von den Teilnehmenden oder Mitarbeitern von SprInt erstellt. Für die Finanzierung konnten wir einige Spender gewinnen: Die Berliner Sparkasse gibt uns einen beträchtlichen Zuschuss, die Stiftung Werkschule aus dem Wedding und das Netzwerk Stiftungen und Bildung ebenso. Wir danken herzlich dafür. Sogar ein privater Spender hat uns unterstützt: Jens, der für die Realisierung des Stückes 1.500 Euro gespendet hat. Somit können wir die dann doch relativ hohen Kosten gut decken und nur einen symbolischen Eintrittspreis von 5 Euro verlangen, der es niedrigschwellig vielen Menschen ermöglichen soll, das Stück zu sehen.

Amazonen von Thor Truppel
Aber worum gehts eigentlich in dem Stück? Ohne zu viel verraten zu wollen — das Stück ist eine Komödie, angesiedelt im antiken Griechenland, in dem drei griechische Soldaten kurz vor Troja ihr Heer verlassen und in das sagenumworbene Amazonenreich eindringen, um das dortige Matriarchat als Frauen verkleidet zu infiltrieren. Thematisiert werden also Geschlechterbilder, aber auch andere aktuelle Themen wie Demokratie und Diktatur, Krieg und Frieden. Formal orientiert sich das Stück am griechischen Theater, lässt seine Figuren aber in zeitgemäßer Sprache sprechen: „Natürlich ist Amazonen von Thor Truppel ein politisches und ein zum Nachdenken anregendes Stück, aber in erster Linie finde ich es sehr unterhaltsam und witzig: Die Texte machen einfach großen Spaß.“, sagt Çiğdem, unsere FSJ-Kraft, die die Amazonenkönigin Penthesilea spielt.

Aufführungstermine und weitere Informationen finden Sie in unserem Blogbeitrag.