Streetwork-Einsatz
Wie verläuft so ein Streetworkeinsatz? werden sich viele fragen.Hier gibts die Antwort:
Impressionen von einem Streetworkeinsatz
Auf unserer gestrigen 10-stündigen Streetworkfahrt von Krimov über Chomutov, Bilina, Teplice und Dubi haben wir 70 Frauen und Mädchen (darunter 5 Minderjährige) angetroffen, die entlang dieser Strecke ihren Körper an wildfremde Männer anbieten müssen. Ja, müssen. Denn mit 36 Frauen und Mädchen sind wir ins Gespräch gekommen.
Es wären auch mehr gewesen, doch einige durften nicht mit uns sprechen. Der Zuhälter lief ihnen auf Schritt und Tritt hinterher und verweigerte uns ein Rankommen – mitten in den Städten, vor den Augen der „normalen“ BürgerInnen. Viele der Mädchen und Frauen, mit denen wir gesprochen haben hatten Angst in den Augen, schauten sich mehrmals ängstlich um, ehe sie das von uns angebotene Präventionsmaterial entgegen nahmen. Wieviele Kondome wir im Laufe dieses Tages verteilt haben lässt sich kaum mehr nachvollziehen, schätzungsweise 200 Stück. Doch sie werden die Frauen kaum vor Krankheiten schützen können, wenn immer und immer wieder Männer auf Sex –ohne -Kondom bestehen oder sie sogar vergewaltigen. Viele Männer aus aller Welt waren gestern in diesen Orten unterwegs – nicht auf der Durchreise, sondern offensichtlich bei den Frauen und Mädchen anhaltend. Deutsche aus den grenznahen Städten Dresden, Bautzen, Meißen, sogar aus dem weiter entfernten Berlin, aber auch Slowaken, Polen und Österreicher. Viele Frauen kannten wir schon, sie haben sich sehr gefreut uns wieder zu sehen und haben ein wenig von ihrem Leben erzählt. Dadurch werden sie zu Individuen, deren Gesichter und Namen wir kennen, ihre Ängste und Wünsche ahnen und es zeigt uns immer wieder die Notwendigkeit, sich diesen Frauen anzunehmen und sie als Menschen wahrzunehmen mit ihren ganz persönlichen Geschichten. Es ist die kaum Volljährige, mit ihren 2 Kindern und ihrem gewalttätigen Zuhälter – Ehemann, die heroinabhängig geworden ist, weil sie die ganzen Misshandlungen sonst kaum überstehen würde. Ein Stück ihres Ohrläppchen ist abgerissen, ihr Hals gezeichnet von Messerstichen, ihre Arme zeigen Einstichstellen als Folge ihres Drogenkonsums und ihre Augen spiegeln so unendlich viel Traurigkeit wider, dass es wehtut. Es sind die Frauen, die hinter den Schaufenstern stehen müssen und die Tür nur einen Spalt weit öffnen – weit genug um ihre zerschlagenen, dünnen Beine zu sehen und ihre Gänsehaut, weil sie kaum mehr als Unterwäsche tragen. Eine von Ihnen war lange nicht da, wo genau sie hin verschleppt wurde konnte oder wollte sie uns nicht richtig sagen. Ihre Zuhälter im Hintergrund bitten uns breit grinsend herein – wir lehnen dankend ab… Es sind die unzähligen Kinder, die direkt bei den Hintereingängen dieser Schaufenster-Bordelle spielen. Es ist auch die über 50jährige Frau, die so dünn ist, dass wir ihre Knochen zählen könnten. Die Hunger hat und dennoch mit uns lacht, weil sie sich so sehr freut, dass sie jemand ernst nimmt. Es ist die vom Heroin gezeichnete Frau, deren Freund vor kurzem im Gefängnis starb. Es ist die junge Mutter, deren 6-Monate altes Baby in Obhut ihrer Zuhälter ist und die uns ein letztes Mal traurig zulächelt, als ihr Zuhälter wütend angerannt kommt und wir wegfahren müssen. Es sind die unzähligen Frauen und Kinder ethnischer Minderheiten, die vor ihren unrenovierten Häusern sitzen und aus dem Staunen nicht mehr rauskommen, dass wir Ihnen Präventionsmaterial und Kleidung schenken und spontan Ihren hungernden Kindern 30 Rolics kaufen – ohne eine Gegenleistung zu erwarten; so wie sie es von den unzähligen deutsche Männern gewohnt sind. Und vor allem sind es diese traurigen Frauen und Mädchen die uns fragen, wie es uns denn eigentlich geht.