Bericht einer MentorIn
Jasmin (25 Jahre alt, aus Deutschland) berichtet über ihre MentorInnenschaft mit Frau M. (24 Jahre alt, aus Tschetschenien) – Ziele dieser MentorInnenschaft sind neben der Orientierung in Berlin und gemeinsamer Stress-entlastender Freizeitgestaltung langfristig auch die Suche nach Möglichkeiten zum Nachholen des Schulabschlusses und die Verbesserung der Deutschkenntnisse von Frau M.:
Wir waren inzwischen mehrmals zusammen in verschiedenen Museen und Ausstellungen u.a. über Griechenland, Orientalische Kunst und Kulturgegenstände und Ägypten und Fotografie […].
Wir waren auch im Martin Gropius Bau in der Ausstellung über islamische Bilderwelten. Ich denke, sie war vorher noch nie in einem Museum. Sie konnte gar nicht glauben, dass die Dinge dort „echt“ sind.
[…] Unser Kinobesuch (sie wollte dort so gerne „einen Liebesfilm “auf Englisch anschauen) ist aber leider an den vielen Menschen und vor allem der Dunkelheit dort gescheitert. Sie hat oft sehr viele Ängste und vor allem sehr schwierige Nächte mit viel Angst und Traurigkeit, was sicher nicht anders zu erwarten ist (mir aber oft auch Sorgen macht) und Albträume trotz Medikamente und auch depressivere Phasen, was in ihrer Situation sicher sehr angemessen, aber für sie sehr unangenehm ist. Trotzdem schafft sie es oft auch wieder raus, und hat mich auch schon angerufen, und gefragt, ob wir etwas Ablenkendes tun können, was auch sehr viel Kraftvolles zeigt, und auch Vertrauen, etwas tun zu können […].
Sie hat es aber zugelassen, dass ich sie anrufe, wenn ich das Gefühl habe, dass etwas gerade schwierig ist oder ein Loch zu entstehen droht und sie hat es auch immer mehr gerne angenommen, und die letzten Male auch gesagt, dass ihr das gut tut, dann ein bisschen zu Reden.
[…] Aber sie hat es wenigstens gemocht besucht zu werden. Vielleicht bzw. wahrscheinlich sicher ist das auch mit Erlebnissen und Dingen die ihr in ihrer Heimat passiert sind verknüpft. Sie ist oft sehr traurig keine „Familie“ zu haben hier, und hat oft Heimweh bzw. „Nostalgie“, wie sie sagt, nach dort zurück. Ihr Deutsch wird immer besser, und auch die Verständigung –ich bin schon etwas geübter in der Wahl und im Erklären von Wörtern ,und lerne auch daran weiter. Sprechen fällt ihr um einiges leichter als Lesen, und sie hat Probleme mit der lateinischen Schriftsprache, was aufrichtig sehr schwer sein muss! und kriegt davon Kopfweh.
[…] Sie hat erzählt, dass sie in Russland dazu gezwungen war, gegen ihren Willen Wirtschaftswissenschaften zu studieren und ich habe in den Gesprächen auch gemerkt, dass sie mit ganz anderen Bildungsvorstellungen aufgewachsen ist, und auch, dass es da viel Angst und Bedenken gibt. Ich denke, es ist wichtig, dort einfach dranzubleiben, und ihr Zeit zu geben. Und vor Allem auch darauf zu achten, dass sie keine Niederlagen in dieser Beziehung erlebt, sondern das wir zusammen schauen, dass/wie sie positive Erfahrungen machen kann.