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Manchmal macht das Leben Umwege

(Gelöschtes Mitglied)
(Gelöschtes Mitglied) schrieb am 25.06.2015

Bei vielen von uns gibt es Zeiten im Leben, in denen Schicksalsschläge, unerwartete Lebensumstände oder einfach die Summe von unerfreulichen Ereignissen kraftlos und mutlos machen. Herr W. hat ein Leben, dem alle lauschen, wenn er daraus erzählt. Der gelernte Koch, Jahrgang 1951, zieht Ende des Jahres 2014 auf Rat eines Bekannten in unser Übergangshaus für Wohnungslose. Kurz bevor er hierher kommt, ist sein Zuhause der Volkspark Schöneberg. 

Sein Leben ist eigentlich ein einziges Abenteuer durch die Hotels und Restaurants Deutschlands. Kurz nach einer Ausbildung „alter Schule" Ende der 70er im „Ratskeller" von Glücksstadt (welchen es heute noch gibt) kommt Herr W. nach Berlin. Er arbeitet in namhaften Hotels wie dem Kempinski bis hin zu „kommunistischen Kneipen", aus denen er die lustigsten Anekdoten erzählen kann. Einen Abstecher nach Bayern, wo er selbst ein Hotel betreibt, lässt der gebürtige Norddeutsche aber schnell wieder hinter sich. Ein Jugendfreizeitheim gründet er in Schleswig-Holstein, dem er in mühseliger Arbeit Stück für Stück eine Seele gibt. Zur finanziellen Unterstützung geht er nebenbei seinem Hobby nach, dem Verkauf von Silberwaren auf dem Flohmarkt. Doch den Sohn eines ebenfalls reiselustigen Monteurs hält es nie lang an einer Stelle. So macht er sich kurz nach dem Mauerfall mit nur kleinem Gepäck und seinem Fahrrad auf in das Sauerland zu neuen Herausforderungen.

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Herr W. noch in seinem Zimmer im Übergangshaus

Trotz des flexiblen Lebensstiles, zeigt Herr W. auch eine fürsorgliche Seite. Als seine Eltern 1992 schwer krank werden, zögert er nicht lange und unterstützt sie pflegerisch. Nebenbei arbeitet er in der Nacht weiter, in einer in der Vergangenheit ebenfalls von ihm aufgebauten Küche. Und auch für die 2009 erkrankte Schwester in einem kleinen Dorf nahe Berlin übernimmt er die Verantwortung. Im schwesterlichen Haus wohnt zu dieser Zeit auch der Neffe. Nach dem Tod seiner Schwester findet dieser sein Glück in der Liebe und für Herrn W. ist kein Platz mehr. Er geht.

Die nervenaufreibenden Jahre, die hinter ihm liegen, lasten noch schwer auf ihm. Sein neues Zuhause ist nun der Volkspark Schöneberg. Immer dabei ist sein Fahrrad, „ein Luxus unter den Obdachlosen", wie er berichtet. Neben dem Flaschensammeln, dessen Erlös ihn über Wasser hält, erlebt er auch die warmherzige Hilfe einiger Anwohner, die ihn während der Zeit versorgen.

Auch Abenteurer brauchen manchmal eine stützende Hand in ihrem Leben. Je schneller wir diese anbieten, umso schneller können wir den Menschen in seine Selbstständigkeit jenseits der Obdachlosigkeit entlassen. Heute wohnt Herr W. wieder in seiner eigenen Wohnung und arbeitet in einem Café, in dem er die Menschen mit seinen in jahrelanger Erfahrung erworbenen Künsten begeistert.

Auf die Frage, was er noch vorhat in seinem Leben, gibt er keine klare Antwort, doch seine Augen leuchten wieder.