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Peter Rosenberger
Peter Rosenberger schrieb am 03.05.2023

krisenchat hat kurze Zeit nach dem verheerenden Erbeben im Februar 23 in der Türkei und Syrien sein psychosoziales Hilfsangebot in deutscher ukrainischer Sprache auf Türkisch erweitert. 
Seid dem arbeiten mehrere türkischsprachige Krisenberater:innen aus dem Bereich der Psychotherapie und Psychologie von Montags bis Freitags und bieten wirksame Hilfe in akuten Krisensituationen:

Lesen Sie dazu das Interview mit Liana Georgiewa vom 16.2.23-Senior Psychologist bei und Co-Projektleitung für türkische Beratung bei krisenchat 
Frage: Liana, krisenchat bietet sein psychosoziales Hilfsangebot nun auch in türkischer Sprache an: Wie haben Sie so schnell nach dem Erdbeben dieses Angebot auf die Beine stellen können, und was sind die besonderen Herausforderungen?
Das Ausmaß der Erdbeben ist unvorstellbar - es ist ein kollektives Trauma, das tiefe Spuren in der Türkei, aber auch in Syrien hinterlässt und die ganze Welt bewegt. 
Es ist uns bei krisenchat ein Bedürfnis, so vielen Menschen wie möglich zu helfen, indem wir ihnen ein offenes Ohr bieten und genau in solchen Krisen beratend zur Verfügung stehen.
Sowohl Management, als auch das Team und Freiwillige kamen unglaublich schnell zusammen, um unser Angebot für die belasteten jungen Menschen zugänglich zu machen. Im Moment ist es uns möglich, Beratung auf türkisch montags bis freitags von 18-20 Uhr anzubieten und richten uns dabei an Menschen, die bereits in Deutschland sind, da wir den Bedarf in der Türkei und in Syrien (noch) nicht decken können. Dabei gibt es natürlich u.a. interkulturelle und auch sprachliche Herausforderungen - wir möchten die Beratung nämlich auf türkisch anbieten, aber auch auf kurdisch. 


Frage: Was sind Ihre Erfahrungen mit jungen Menschen in Deutschland, die durch die Ereignisse in Ihrer Heimat stark belastet sind und vielleicht Familienmitglieder verloren haben und wie kann ihnen von krisenchat geholfen werden, wie sieht hier eine Beratungsstrategie aus, was raten Sie den Kindern & Jugendlichen?Millionen von Menschen sind in der Türkei und in Syrien von den Konsequenzen dieser Katastrophe betroffen. Laut dem statistischen Bundesamt lebten 2021 etwa 2,7 Mio. Menschen mit türkischen oder kurdischen Wurzeln in Deutschland und stellen somit die größte Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland dar. Aufgrund des Bürgerkrieges in Syrien sind etwa 800.000 Syrer:innen nun in Deutschland zu Hause. Viele unserer Mitbürger:innen sind also von den Auswirkungen der Erdbeben betroffen - sie haben vielleicht jemanden dadurch verloren und/oder möchten ihren Angehörigen jetzt helfen. Das ist eine sehr schwierige Situation und bringt viele Emotionen hervor. Insbesondere für die Kinder und Jugendliche, die nun aus ihrer gewohnten Umgebung flüchten müssen, kann es sehr schwer sein, diese Gefühle von Überforderung, Trauer, Schock oder auch Wut zu verarbeiten. Zur gesunden Integration eines traumatischen Erlebnisses in die eigene Lebensgeschichte ist u.a. die soziale Einbettung besonders wichtig. Kinder müssen spüren, dass sie nicht alleine sind. Wir möchten ihnen Raum geben, in ihrer eigenen Sprache über ihre Erlebnisse und Gefühle sprechen zu können und ihnen dabei helfen, eine langfristige Lösung zu finden. 
Frage: Erzählen Sie uns bitte etwas über Ihren Werdegang und Ihre persönliche Motivation.Ich bin als klinische Psychologin seit Januar 2022 bei krisenchat tätig, zuerst im Marketingbereich und dann beim Aufbau von krisenchat Ukrainian. Mit der Türkei fühle ich mich tief verbunden, da ich dort als Aktivistin für Menschenrechte, insbesondere für LGBTQIA*, sehr aktiv bin und seit einigen Jahren viel Zeit in Istanbul verbringe. krisenchat Ukrainian liegt mir dabei genauso am Herzen wie eine Krisenberatung auf türkisch, weil auch hier die Kinder und Jugendlichen solch starken Belastungen ausgesetzt sind. Mir ist es ein großes Anliegen, unser Angebot für so viele Menschen wie möglich zugänglich zu machen, da ich mich auf vielen Ebenen im Leben für soziale Gerechtigkeit und die Verbesserung mentaler Gesundheit für Menschen einsetze. krisenchat kann meiner Meinung nach ein wichtiger Teil von Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Deutschland sein, da das Angebot so leicht zugänglich ist.
Frage: Sie haben ja auch eine ganz persönliche Beziehung zur Türkei, wie kam es dazu?Tatsächlich bin ich während meines Masterstudiums eines Tages los mit dem Fahrrad, einfach so. Es war eine spontane Reise, die mich zufällig in die Türkei führte. Als dann wegen Corona meine Unikurse online angeboten wurde, blieb ich da. Meinen Master schloss ich also remote ab, während die Türkei zu meinem zweiten Zuhause wurde. 
Frage: Wie schätzen Sie den Stellenwert von mentaler Gesundheit bei der türkischen Bevölkerung ein? Gibt es hier große Unterschiede zwischen den Metropolen und den ländlichen Gebieten?Alle Menschen in der Türkei sind wahnsinning mitgenommen von den Geschehnissen und das Angebot bzgl. mentaler Gesundheit ist mehr als mangelhaft  - selbst in Metropolen wie Istanbul. Therapie ist teuer und ein Angebot wie krisenchat gibt es dort nicht. Marginalisierte Gruppen wie z.B. kurdische Menschen, Geflüchtete oder LGBTQIA* gehen dabei besonders unter, gerade in den Erdbebenregionen. Für umso wichtiger halte ich unser Angebot und hoffe darauf, dass wir damit zu internationaler Solidarität beitragen. 
Vielen Dank für das Gespräch Liana und viel Erfolg.