Kind=Kind Voneinander lernen, miteinander wachsen
Mittlerweile ist es für die Jugendliche Routine. Sie klopfen an der Tür des Klassenzimmers, holen ihr Lesekind ab und suchen sich einen freien Tisch im Schulhaus. Dann beginnt eine Art Nachhilfestunde. Wobei Nachhilfestunde eigentlich das falsche Wort ist. Nicht nur Theorie und Grammatik sollen bei der individuellen Sprachförderung vermittelt werden, sondern vor allem der Spaß an der Sprache durch Lesen, Spiele und Gespräche. Die Kinder sollen sich willkommen fühlen.
Kind = Kind existiert seit 2011 und vernetzt seitdem ein Würzburger Gymnasium mit einer Grund- und Mittelschule mit speziellen Sprachlernklassen. Das Projekt wurde bewusst als Jugendarbeit mit und durch Jugendliche konzeptioniert, da wir immer wieder die Erfahrung gemacht haben, das altersähnliche Beteiligte eine ganz andere Grundempathie füreinander mitbringen. Und, wer lernt sich in jungen Jahren zu engagieren, wird später auch eher bereit sein dies wieder zu tun. In der inhaltlichen Arbeit sind die Jugendlichen die Hauptakteure, während der DKSB als Initiator des Projektes komplett im Hintergrund als Koordinator und Coach agiert. Das Projekt ist nahezu komplett spendenfinanziert.
„Ich finde es wichtig persönlichen Kontakt zu Menschen zu haben, die schwere Dinge erlebt haben“, erklärt Oliver, ein ehemaliger Lesehelfer. „Situationen wie diese kennt man sonst nur aus den Medien, der direkte Kontakt hätte ohne das Projekt vermutlich nicht stattgefunden.“
Bevor die Jugendlichen ihre Stunden eigenständig durchführen, bekommen sie einen Crash- Kurs in Sachen Pädagogik. Auch während des Projekts gibt es pädagogischen Input. Alle sechs Wochen treffen sie sich zu Gruppentreffen, um Lernfortschritte und Probleme zu diskutieren und Tipps von der Projektleitung zu erhalten.
Für den Großteil der Jugendlichen ist das Projekt eine komplett neue Erfahrung. Vor allem vor der ersten Stunde herrscht Nervosität. Das erste Ziel ist, ins Gespräch zu kommen. Nicht immer wird mit Worten kommuniziert. Annas Lesekind konnte kaum Deutsch:
„Ich musste ihm mit Händen und Füßen beibringen, wer ich bin und was meine Aufgabe ist.“
Viele Jugendliche bauen schon nach wenigen Treffen eine Beziehung zu dem Kind auf, sie werden zu Bezugspersonen. Für die Projektleitung ist das genauso wichtig wie der sprachliche Fortschritt der Flüchtlingskinder.
„Wenn am Wochenende etwas Besonderes war, kommen wir auch mal vom vorbereiteten Konzept ab und unterhalten uns einfach“, meint Anna.
Am Ende profitieren nicht nur die Flüchtlingskinder von der besonderen Aufmerksamkeit. Auch die Lesehelfer und Lesehelferinnen wachsen mit ihrer Aufgabe. Sie setzen sich mit einer komplett anderen Lebenswelt auseinander, lernen sich zu organisieren und auf andere einzugehen. Neben diesen sozialen Fähigkeiten ändert das Projekt oftmals die Sichtweise der Projektteilnehmer, denn sie lernen differenzierter zu denken.