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Jahresbericht 2014 Jobteam Gangway e.V.

T. Georgi
T. Georgi schrieb am 05.02.2015

Inhalt

1. Einleitung. 

2. Bürosituation / Teamsituation. 

3. Förderung durch das Jobcenter. 

4. Statistische Auswertung und Zahlen 2014. 

4.1. Betreuungsfälle und Verbleib der betreuten Jugendlichen insgesamt 

4.2. Verbleib der erfolgreich vermittelten Jugendlichen. 

4.3. Zugangswege der Teilnehmer. 

4.4. Schulbildung unserer Teilnehmer im Überblick. 

4.5. Geschlechterverteilung und Alter der Teilnehmer. 

5. Berichte aus der Praxis der Einzelfallarbeit 

5.1. Warum ein Projekt an der Schnittstelle so wichtig ist 

5.2. Darstellung von besonderen Problemlagen. 

Fallbeispiel 1. 

Fallbeispiel 2. 

5.3. Wenn der Topf aber nun ein Loch hat – Lost im Ämterdschungel 

Fallbeispiel 3. 

6. Gruppenaktivitäten. 

6.1. Pragfahrt 

6.2. Internationaler Jugendaustausch bei Zwickau. 

6.3. Feste. 

6.4. Externe Nichtschülerprüfung für die Berufsbildungsreife. 

7. Öffentlichkeitsarbeit 

8. Ausblick. 

 

1. Einleitung

Das Jobeam ist ein auf die berufliche Orientierung und Beratung Jugendlicher spezialisiertes Team von Gangway e.V. und arbeitet vorrangig im Großbezirk Pankow. Durch den niedrigschwelligen und individuell auf die Jugendlichen abgestimmten Arbeitsansatz erfolgt die aufsuchende Arbeit kleinteilig; d.h., dass die Jugendlichen vor allem in ihren Wohnungen aufgesucht und kontaktiert werden. Stärkster Kooperationspartner des Jobteams ist der U25-Bereich des Jobcenters Pankow, gefolgt von den lokalen Bildungsanbietern, anderen Trägern der Jugendhilfe und Beratungs-einrichtungen zu speziellen Problemlagen wie Wohnungslosigkeit, Drogensucht, Schulden oder psychologische Beratungsstellen.

Jeden Donnerstagnachmittag bietet das Team eine offene Sprechzeit von 15:00 bis 18:00 Uhr in den Räumen in der Schönhauser Allee 51 im Ortsteil Prenzlauer Berg an. Das Team ist sowohl über das Festnetz (030 / 4703 36 64), per Email (jobteam@gangway.de) und mobil zu erreichen.

2. Bürosituation / Teamsituation

Die Büroräume in der Schönhauser Allee 51 in Prenzlauer Berg liegen verkehrsgünstig direkt am U-Bahnhof Eberswalder Straße. Der Standort wird von den Jugendlichen sehr gut angenommen. Der Träger kommt eigenständig für die Übernahme der Mietkosten auf, eine Kofinanzierung durch das Bezirksamt Pankow besteht nicht.

Eine warme und einladende Atmosphäre zeichnet die Büroräume aus, die sowohl einen herzlichen als auch einen professionellen Eindruck vermittelt. Die Räumlichkeiten werden zeitweilig auch durch die Kollegen[1] vom Team Startpunkt des Gangway e.V. als Arbeitsräume und Anlaufstelle für haftentlassene Jugendliche genutzt.

Im Jobteam arbeiten die Sozialpädagogen Astrid Sammet und Thomasch Georgi. Seit Januar 2014 wird das Team für 20 Stunden/Woche von der Werkstudentin Katharina Mrosk unterstützt.

3. Förderung durch das Jobcenter

Das Projekt Jobteam wurde 2014 ausschließlich vom Jobcenter Pankow finanziert.

Daraus ergab sich ein Hauptaugenmerk auf die Zusammenarbeit mit Jugendlichen, die im Arbeitslosengeld II-Bezug stehen. Obwohl das Jobteam keine anteilige Finanzierung vom Bezirksamt erhält, werden dennoch alle Jugendlichen beraten, die eine Unterstützung durch das Jobteam in Anspruch nehmen möchten. Ansonsten kann der niedrigschwellige Arbeitsansatz nicht funktionieren. Zudem ist es ein grundlegender Ansatz von Gangway e.V., jeden Jugendlichen zu unterstützen, der eine Unterstützung haben möchte.

 

4. Statistische Auswertung und Zahlen 2014

Im Jahr 2014 haben wir 109 Jugendliche intensiv beraten und unterstützt, davon 39 junge Frauen und 70 junge Männer.

Die Anzahl der betreuten Jugendlichen ist verglichen mit dem Vorjahr leicht gestiegen, da mit der  Unterstützung durch die Werkstudentin eine bessere Kontaktaufnahme und bessere Betreuung der Jugendlichen möglich waren. Da die Betreuungsintensität der Jugendlichen jedoch weiter gestiegen ist (siehe Berichte aus der Einzelfallarbeit), sind wir trotz der zusätzlichen Unterstützung an unsere Kapazitätsgrenze gelangt.

4.1. Betreuungsfälle und Verbleib der betreuten Jugendlichen insgesamt

Von allen betreuten Jugendlichen haben wir mit 63 die Zusammenarbeit erfolgreich beendet. Insgesamt 12 Jugendliche haben den Kontakt zu uns vorzeitig abgebrochen beziehungsweise wurde dieser von unserer Seite beendet, da bei diesen Jugendlichen keine Bereitschaft zur Zusammenarbeit bestand. Die übrigen 34 Jugendlichen werden wir im Jahr 2015 weiterhin betreuen.

Zu unserer Arbeit mit den Jugendlichen, die noch keinen Ausbildungsplatz bzw. keine Arbeitsstelle gefunden haben, gehören insbesondere folgende Aufgaben:

·     Berufsorientierung und Entwicklung einer Lebensperspektive,

·     Begleitung zu Ämtern und Behörden,

·     Beratung zu Arbeitslosengeld II und Hilfe beim Ausfüllen sämtlicher Anträge,

·     Beratung in Problemsituationen, wie z.B. Drogenabhängigkeit oder familiäre Konflikte,

·     Klärung von Wohn- und Schuldensituationen, Einleitung von weiterführenden Hilfen,

·     Praktika- und Stellenakquise,

·     Erstellen von Bewerbungsunterlagen,

·     intensives Einzelcoaching, um hemmende Handlungsmuster und gedankliche Überzeugungen dauerhaft aufzulösen,

·     Begleitung bei Veränderungen der Lebenssituation, zum Beispiel bei Aufnahme einer Arbeit oder Ausbildung, unerwarteter Schwangerschaft, Trennungen.


4.2. Verbleib der erfolgreich vermittelten Jugendlichen

Insgesamt konnten 21 Jugendliche von uns in eine Beschäftigung oder Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden, 22 weitere in eine außerbetriebliche Ausbildung bzw. qualifizierende Maßnahme. Vier Jugendliche konnten motiviert werden, ihren Schulabschluss nachzuholen oder zu verbessern und ein Jugendlicher begann ein Studium. Das entspricht einer Vermittlungsrate von 44% in Qualifikation, Ausbildung oder Beschäftigung.

Elf junge Menschen konnten mit unserer Unterstützung in geeignete andere Hilfen wie z.B. Therapien oder betreutes Wohnen vermittelt werden, da bei diesen Jugendlichen die Lösung anderer Problemlagen Vorrang vor der Integration in das Berufsleben hatte.

4.3. Zugangswege der Teilnehmer

Da das Jobteam bei vielen Jugendlichen im Bezirk bekannt ist, erklärt sich die hohe Zahl der Jugendlichen, die sich selbst beim Jobteam melden. In der Regel haben sie von Freunden von dem Angebot erfahren. 39 Jugendliche wurden vom Jobcenter Pankow auf das Jobteam aufmerksam gemacht und nahmen die Unterstützung in der Folge an.

32 der Jugendlichen, die wir zu Hause oder an anderen Plätzen aufgesucht haben, entschieden sich dafür, ihre Situation mit Hilfe des Jobteams zu verbessern. Acht junge Menschen wurden durch das Jugendamt, die Jugendstrafanstalt, Gangway-Kollegen aus anderen Bezirken und andere Träger der Jugendhilfe, wie z.B. Outreach, auf das Jobteam aufmerksam.

Insgesamt waren 86 der in 2014 beratenen Jugendlichen im Großbezirk Pankow gemeldet. 23 Jugendliche, die sich aber vorwiegend in Pankow aufhalten, kamen aus anderen Bezirken. Diese Jugendlichen sind weitgehend über Mundpropaganda oder über die Homepage des Jobteams auf das Unterstützungsangebot aufmerksam geworden.

4.4. Schulbildung unserer Teilnehmer im Überblick 

Über die Hälfte unserer Jugendlichen verfügt über keinen  oder nur einen geringen Schulabschluss.

4.5. Geschlechterverteilung und Alter der Teilnehmer

Ca 2/3 waren männliche Jugendliche und 1/3 weibliche Jugendliche.Dieses Phänomen beobachten wir schon seit Jahren.

5. Berichte aus der Praxis der Einzelfallarbeit

Nach wie vor hat es das Jobteam mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu tun, die mit erheblichen Problemen wie Schulden, Suchtverhalten, ungeklärte Wohnsituation oder eine generelle Überforderung bei der Bewältigung des Alltags, um nur einige zu nennen, zu kämpfen haben. Da diese Problematik immer intensiver wird, gelangen wir, wie oben bereits erwähnt, an unsere Kapazitätsgrenze. Viele der Jugendlichen haben in irgendeiner Form resigniert oder verweigern sich herkömmlichen Angeboten und Strukturen. Die Aufgabe des Jobteams besteht zum einen darin, diese Verhaltensweisen aufzubrechen, so dass die jungen Menschen im Leben wieder mit 100 Prozent mitspielen. Zum anderen ist es Aufgabe des Teams, die Jugendlichen in akuten Krisensituationen und bei der Bewältigung ihrer Probleme zu unterstützen. Die konkrete berufliche Beratung steht immer häufiger erst ganz am Schluss einer langen Kette von Vorarbeiten, die sich manchmal bis zu einem Jahr oder sogar länger hinziehen.

5.1. Warum ein Projekt an der Schnittstelle so wichtig ist

Aufgrund der hohen Betreuungsintensität der Fälle wird jedes Mal deutlich, wie wichtig die Arbeit grundsätzlich an der Schnittstelle vieler Behörden ist und wie notwendig eine Begleitung an dieser Stelle ist, damit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Übergang in die nächste Entwicklungsstufe gelingt. An genau diesen Übergängen scheitern viele Jugendliche, sei es aufgrund von vorhandenen Hemmschwellen, mangelndem Vertrauen, Angst vor Neuem, dem Wissen, die Behördensprache letztlich nicht zu verstehen oder auch Angst vor Strafe, wenn sie wissen, dass sie Vereinbarungen nicht eingehalten haben. Die Zielgruppe muss fast immer begleitet werden, wenn man will, dass die Übergänge dauerhaft funktionieren. In dieser Schnittstellenfunktion stoßen wir jedoch manchmal an merkwürdige Grenzen (siehe dazu auch das Fallbeispiel im Punkt „Übergänge“ im folgenden Abschnitt 5.2.).

Menschen funktionieren nicht immer, wie Gesetze und Bestimmungen es erwarten. Wir haben es hier mit einer besonderen Zielgruppe zu tun, die besondere Unterstützung benötigt, wenn es das Ziel ist, sie nicht aufzugeben, sondern wieder zurück ins „normale“ Leben zu holen. Wir fungieren in dem Moment wie „Schmieröl zwischen den Zahnrädern“, damit der junge Mensch auch dort ankommt, wo er ankommen soll. Gesetzlich ist die Finanzierung und Leistung eines Schnittstellenprojektes mit „Schmierölfunktion“ nicht vorgesehen, der Jugendliche muss selbst „von Rad zu Rad springen“ können. Schafft er es nicht, hat er eben Pech gehabt. Das ist aus unserer Sicht der falsche Weg, denn –  so zeigt unsere alltägliche Erfahrung – wenn diese Menschen wieder Zutrauen gewonnen haben und sich einlassen, schaffen sie den Weg auch, aber sie brauchen eben auch eine zuverlässige Begleitung an den einzelnen Übergängen. Der gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Nutzen ist höher, wenn die, die das Schmieröl liefern, dafür bezahlt werden, als wenn Maßnahmen der Eingliederung von den Jugendlichen nicht genutzt werden können.

5.2. Darstellung von besonderen Problemlagen

Wohnsituation

Eines der gravierendsten Probleme, mit dem fast die Hälfte der Jugendlichen (insgesamt 52 im Jahr 2014, das sind 18 Jugendliche mehr als im Vorjahr) zu tun hat, ist die prekäre Wohnsituation. Da zumeist eine Schuldenproblematik mit Schufa-Einträgen besteht, ist das Anmieten normalen Wohnraums nahezu aussichtslos, da nützt dann nicht einmal ein WBS. Zudem ist der infrage kommende Wohnraum im Bezirk Pankow sehr knapp, so dass die einzige Option oftmals eine Wohnung in einem der Berliner Randbezirke ist. Aber selbst das war im Jahr 2014 ausgesprochen schwierig, da das Mietpreisniveau berlinweit weiter gestiegen ist, so dass manchmal nur die Unterbringung in einer Obdachloseneinrichtung als Alternative verbleibt, was auch nicht gerade ein Ort ist, an dem man gut seine persönlichen Probleme lösen kann. Auch andere betreute Wohnformen stehen oft nicht zeitnah zur Verfügung und sind meist mit Regeln oder Begleitumständen verbunden, die einige Jugendliche nicht akzeptieren.

Wenn eine Kündigung oder Räumung der Wohnung droht, versuchen wir, mit dem Vermieter zu reden und das Schlimmste abzuwenden. In 2014 ist uns das in sechs Fällen gelungen. Da die Wohnungsbaugesellschaften keine Bewerber wie früher aufnehmen und sich nicht bei freiwerdendem Wohnraum melden, ist von den Jugendlichen bei der Wohnungssuche ein hohes Maß an Eigeninitiative gefordert. Wir unterstützen die Jugendlichen dabei, geeigneten Wohnraum zu finden und die nötigen Formalitäten mit ihnen zu erledigen wie z.B. die Anmeldung beim Stromversorger oder die Regelung der Übernahme der Mietkaution als Darlehen durch das Jobcenter.

Übergänge

Eine weitere Schwierigkeit, die zu erheblicher Verunsicherung der Jugendlichen führt, sind die alljährlich leider immer wieder auftretenden Probleme, die sich aus der Umstellung der Zahlung von ALG II auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) oder BAföG ergeben, wenn die Jugendlichen eine Ausbildung beginnen. Oftmals dauert die Bearbeitungszeit der Ämter länger als die Bewilligung von Leistungen des Jobcenters, sodass gleich zu Beginn der Ausbildung eine finanzielle Lücke für die Jugendlichen entsteht. Diese ist umso gravierender, wenn sie bereits eigenen Wohnraum haben. So bleibt dann nur der Weg über die Gerichte, um eine einstweilige Anordnung auf Vorschussleistungen zu erwirken. Dennoch bedeutet dies viel mentale Belastung für die Jugendlichen, da sie zum Beispiel in Angst leben, nicht rechtzeitig ihre Miete bezahlen zu können und die Wohnungskündigung zu erhalten.

Fallbeispiel 1

Eine Jugendliche, nennen wir sie Kati, 18 Jahre alt, beginnt eine Ausbildung zur Sozialassistentin an einer berufsbildenden Schule. Die Ausbildung ist BAföG-förderfähig. Kati beantragt also, sobald sie den Ausbildungsvertrag in den Händen hat, Schüler-BAföG. Nun ergibt sich eine Reihe von Schwierigkeiten: Vor der Ausbildung hat Kati monatlich Regelleistungen i.H.V. 391 € nach dem SGB II und ihre Miete erhalten. Kati hat damit insgesamt 743 € vom Jobcenter bekommen. Während der Ausbildung erhält Kati 465 € BAföG, was dem Höchstsatz entspricht. Zusätzlich erhält sie vom Jobcenter einen Zuschuss zur den Kosten der Unterkunft (KdU). Diese betragen nunmehr aber nur noch 238 €, da im BAföG bereits ein pauschaler Mietanteil enthalten ist, der von den KdU abgezogen wird. Kati hat also während der Ausbildung mit 703 € bereits 30 € weniger, als im ALG II-Bezug. Hinzu kommt, dass sie sich selber krankenversichern muss, da sie als Auszubildende nicht mehr über das Jobcenter versichert wird und sie als Vollwaise (unbegleiteter Flüchtling) nicht familienversichert ist. Das schlägt mit ca. 80 € monatlich zu Buche. Außerdem macht Kati ihre Ausbildung an einer Schule, die monatlich 50 € Schulgeld kostet. Nach diesen Abzügen bleiben Kati also 573 €, von denen sie noch ihre Miete (- 362 €) und Strom (- 10 €) bezahlen muss. Damit hat sie dann noch ungefähr 200 € monatlich zum Leben, von denen sie aber auch noch eine Fahrkarte (Azubiticket 55 €) kaufen muss. 140 € monatlich für eine 18-jährige in einer Ausbildung, wo sie auch Schreib- und Lehrmaterialien erwerben muss, sind definitiv zu wenig. Mögliche Handy- oder Internetkosten sind in der Rechnung noch nicht berücksichtigt.

Wie man von diesem monatlichen Geld zwei Jahre leben soll, bleibt rätselhaft. Da Kati schon vor der Ausbildung am Existenzminimum wirtschaften musste, kann davon ausgegangen werden, dass sie keine Rücklagen hat, auf die sie während der Ausbildung zurückgreifen kann.

Das ist der eine Teil des Problems. Der zweite Teil ist ebenso schwerwiegend, da er noch mehr Jugendliche betrifft als in dem beschriebenen Fall: die Bearbeitungszeit für einen Schüler-BAföG-Antrag liegt durchschnittlich bei drei bis vier Monaten, in einigen Fällen auch länger. Das Jobcenter zahlt aber nur einen Monat (und das schon aus Kulanz) überbrückend ALG II, d.h. dass Jugendliche danach – wenn die Zahlungen vom Jobcenter eingestellt werden und das BAföG noch nicht fließt – in ein finanzielles Loch fallen, also mittellos sind. Der Zuschuss zu den Kosten der Unterkunft kann im Regelfall auch erst dann beantragt werden, wenn der BAföG-Bescheid vorliegt. Wovon bestreitet der Jugendliche also in der Zwischenzeit seinen Lebensunterhalt, bis die rückwirkende Nachzahlung des BAföG kommt? Bei einem Zeitraum von drei Monaten kann das unter Umständen die Kündigung der Wohnung bedeuten, abgesehen davon, dass der Jugendliche sich während dieser Zeit nicht allein von Luft ernährt. Zudem fordert das Jobcenter den überzahlten Betrag vom Jugendlichen zurück, wenn die BAföG-Nachzahlung eingegangen ist. Da die Rückforderung des Jobcenters aber dem gezahlten Regelsatz entspricht und nicht den tatsächlichen Leistungen, die dem Jugendlichen in dieser Zeit zustanden, also höher ist als das, was der Jugendliche rückwirkend bekommt, kann sich der Jugendliche nur verschulden.

Normalerweise steht Schülern und Azubis monatlich 180 € Kindergeld zu. Aber auch davon können die Miete und Lebensmittel nur anteilig finanziert werden. Im Fall von Kati ist die Situation so, dass sie bereits im April 2014 Kindergeld beantragt hat, dieser Antrag aber seitdem bearbeitet wird. (Als unbegleiteter Flüchtling läuft die Bearbeitung nicht in den „normalen“ Kindergeldkassen, sondern über die Zentrale in Nürnberg.)

Ähnlich ist die Situation bei Jugendlichen, die eine geringbezahlte Ausbildung (z.B. eine Verbundausbildung mit einem monatlichen „Gehalt“ von 250 €) beginnen und einen Antrag auf BAB stellen müssen. Auch hier zahlt das Jobcenter nicht weiter, da die Jugendlichen Azubi-Status haben. Die BAB-Bearbeitungszeiten sind jedoch ähnlich lang wie beim Schüler-BAföG.  Meist betrifft es zudem Jugendliche, die mit dem Ämterdschungel überfordert sind und die ohne unterstützende Begleitung kaum in der Lage wären, diese bürokratischen Hürden zu nehmen. Eine Lösung könnte sein, dass das Jobcenter solange weiter Leistungen zum Lebensunterhalt gewährt, bis die anderen Leistungssysteme greifen. Und dann könnten die Abläufe so gestaltet werden, dass die leistungserbringende Stelle – BAföG-Amt, Familienkasse oder BAB-Stelle – die Nachzahlungen direkt an das Jobcenter erstattet und nicht auf das Konto des Jugendlichen.

Eine weitere prekäre Übergangssituation entsteht, wenn Jugendliche an ihrem 18. Geburtstag aus der Jugendhilfe entlassen werden, ohne eine wirkliche Perspektive bezüglich Wohnraum und/oder Beschäftigung bzw. Bildung zu haben. Oft können und wollen diese Jugendlichen nicht zu ihren Eltern zurück und stehen dann auf der Straße.

Schulden

Nahezu alle jungen Menschen, die vom Jobteam beraten werden, haben Schulden. Die Spanne reicht dabei von 1.000 bis 10.000 € und in Extremfällen auch darüber hinaus. Meist entstehen diese Schulden durch das Abschließen von Mobilfunkverträgen (auch für Freunde und Bekannte, die dann ihren Verpflichtungen nicht nachkommen und somit der Jugendliche als Vertragsunterzeichner in der Pflicht steht), Schwarzfahren (aus 40 € werden durch Mahngebühren, die Weitergabe der Forderung an Inkassounternehmen und Zinsen sehr schnell über 100 €), Nichtbezahlen von Strom- und Heizkosten und schlimmstenfalls der Miete.

Hinzu können unbedachte Vertragsabschlüsse für Abonnements (Haustürgeschäfte) kommen, nichtgezahlte Rundfunkgebühren (wenn die zustehende Befreiung über Jahre hinweg nicht eingereicht wurde), Bußgelder, weiterhin Internetdienstleistungen, Arztrechnungen, Rückzahlungsaufforderungen vom Jobcenter oder anderen Behörden wegen Überzahlung. Für einige Jugendliche ist der Weg durch die Privatinsolvenz eine (manchmal die einzige) Lösung. Das Jobteam unterstützt die Jugendlichen zunächst dabei, sich der Situation zu stellen und sich einen Überblick über die eigene Schuldensituation zu verschaffen. Aus Gründen der Verdrängung und der bei vielen Jugendlichen verbreiteten Kopf-in-den-Sand-Taktik häufen sich die ungeöffneten Briefe über Monate – in einem Fall waren es zweieinhalb Jahre – , die wir gemeinsam mit den Jugendlichen durchgehen. Anschließend folgt oft der Gang zur Schuldnerberatung.

Drogen / Alkohol

Der Anteil der Jugendlichen, die Alkohol und / oder illegale Drogen in bedenklichem Maß konsumieren, ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen. Knapp 30 % der von uns begleiteten Jugendlichen konsumieren regelmäßig und größere Mengen Alkohol, über 40 % konsumieren illegale Drogen. Die Auswirkungen sind hinlänglich bekannt und sollen hier nicht weiter erörtert werden.

Für den Jugendlichen ist es oft ein großer Schritt, sich an eine entsprechende Beratungs- oder Therapiestelle zu wenden, bei dem wir auch Unterstützung bieten. Vor allem bei letzterem brauchen die Jugendlichen aufgrund langer Wartezeiten das für sie in der Regel untypische Durchhalte-vermögen, um nicht schon vor einem Therapiebeginn alles wieder hinzuschmeißen. Die Aufgabe des Jobteams besteht dabei darin, die Motivation der Jugendlichen zu halten und zu stärken. Dies geschieht vor allem durch regelmäßige Gespräche und gemeinsame Aktionen.

Psychische Probleme

Auffallend ist, dass scheinbar oder tatsächlich immer mehr Jugendliche, die das Angebot des Jobteams annehmen, unter psychischen Beeinträchtigungen leiden. Ob der Alkohol- und Drogenmissbrauch im oben genannten Punkt Folge oder Ursache davon ist, können wir nicht sagen. Oft erscheint uns der Drogenmissbrauch jedoch wie eine Art Selbstmedikation, wenn andere Mittel und Fähigkeiten fehlen, mit den aus der Sicht der Betroffenen schwerwiegenden Problemen fertig zu werden. Diese Probleme ergeben sich zum einen häufig aus dem familiären oder sozialen Hintergrund, der nicht selten zu seelischen Verletzungen geführt hat, die nicht therapeutisch behandelt wurden. Zum anderen sind viele Probleme auch Folge des Drogenmissbrauchs. Eine weitere Vermutung ist, dass sich junge Menschen, die keiner sinnvollen Beschäftigung nachgehen (können) und sich nicht als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft sehen, diesen Komplex mit Alkohol und Drogen zu kompensieren suchen. Dabei ist es für uns nicht immer leicht, die Möglichkeit einer Therapie zu thematisieren. Zum einen, weil die langen Wartezeiten auf einen geeigneten Therapieplatz und bisherige ungünstige Therapieerfahrungen oft Hinderungsgründe sind, warum Jugendliche sich außerstande sehen oder nicht bereit sind, sich (erneut) um eine geeignete psychologische Unterstützung zu bemühen. Zum anderen aber auch, weil manche Jugendliche bereits resigniert haben oder sich als Opfer der Umstände sehen, an denen sie sowieso nichts ändern können. Die psychischen Auffälligkeiten, mit denen wir konfrontiert werden, äußern sich unter anderem in Depression mit zum Teil völligem Rückzug, in häuslicher und körperlicher Verwahrlosung, in nicht nachvollziehbaren Handlungsmustern, in Affekthandlungen, extremen Stimmungsschwankungen und in selbstverletzendem Verhalten bis hin zu Suizidgedanken (Borderlinesyndrom).

Es zeigt sich, dass man – und nicht nur in diesen Fällen – einen sehr langen Atem braucht, um eine dauerhafte Verhaltensänderung zu bewirken, da oft ein hohes Maß an Verweigerung oder Resignation bei den Jugendlichen vorliegt. Diese gilt es, aus den Köpfen der Jugendlichen zu bekommen. Letztendlich kann die Arbeit aber nur gelingen, wenn auch der Jugendliche etwas an seiner Situation ändern möchte.

Ein weiteres Beispiel aus unserer Arbeit, bei dem Drogenmissbrauch und psychische Probleme im Vordergrund standen, wollen wir hier aus der Sicht der Werkstudentin darstellen.

Fallbeispiel 2

Ende Januar 2014 erreichte uns die Meldung einer Fallmanagerin des Jobcenters. Sie machte sich große Sorgen um einen Jugendlichen, der schon längere Zeit nicht bei ihr aufgetaucht ist. Er war 19 und suchte einen Ausbildungsplatz. Zudem stand ihm ein Gerichtsverfahren bevor und Drogen waren ein großes Thema.

Während des Aufsuchens klingelten wir an seiner Tür. Uns stand ein junger Mann gegenüber, nennen wir ihn Mario. Hände in den Hosentaschen, Blick auf den Boden gerichtet, Gesicht emotionslos. Mario sprach mit monotoner Stimmlage in kurzen, abgehackten Sätzen mit uns. Dieses Verhalten erinnerte uns eher an einen Roboter als an einen Jugendlichen.  Seine Hände und Arme waren übersät mit selbstgestochenen Tattoos, seine Haut im Gesicht war stark entzündet und seine Zähne waren ungepflegt. Er bat uns direkt in sein Zimmer. Es war dunkel und verraucht. Das Fenster war mit einem schwarzen Bettlaken verhangen und der einstige Kleiderschrank bestand nur noch aus losen Brettern, die übereinander lagen. Mario erzählte uns von seiner bisher erfolglosen Suche nach einem Ausbildungsplatz als Maurer. Als er direkt unser Angebot annahm, ihn beim Schreiben der Bewerbung zu unterstützen, waren wir ehrlich gesagt etwas überrascht.  Durch sein Verhalten entstand vorerst der Eindruck, als wäre er froh, wenn wir schnell wieder weg sind. Doch nun schien es so, als hätte Mario auf genau diese Chance gewartet.

Zu den ersten Treffen kam er stets pünktlich. Er sagte gleich am Anfang, dass er bei der Begrüßung niemandem die Hand gibt, er nicht gern viel redet und auch Lachen nicht "so sein Ding" ist. Beim Erstellen seines Lebenslaufes gab Mario von Termin zu Termin mehr von sich preis. Er hatte zwei betreute Jugendeinrichtungen hinter sich, konsumierte Alkohol, Cannabis und Amphetamine seit seinem 15. Lebensjahr. Das Zusammenleben mit seiner Mutter und Schwester war seit längerem schwierig. Als wir Mario kennenlernten, war er acht Wochen clean und sagte, er wolle mit den Drogen für immer abschließen und endlich eine Ausbildung beginnen. Nach einigen Treffen war auf einmal Schluss. Mario erschien nicht zu den vereinbarten Terminen und war auch telefonisch nicht mehr erreichbar. Nach mehreren Versuchen hatten wir ihn endlich an der "Strippe". Er sagte, ihm ginge es grad "beschissen", er kann keine Termine wahrnehmen und will niemanden sehen. Der Grund: Mario ist rückfällig geworden.

Auf eine Drogenberatungsstelle hatte er keine Lust, da er damit bisher nur schlechte Erfahrungen gemacht hat. Die einzige Person, mit der er sprechen würde, war sein ehemaliger Therapeut, dem er großes Vertrauen entgegen brachte. Er behandelte ihn zuletzt vor einem Jahr wegen seiner Angstzustände, Paranoia und Despressionen. Mario konnte jedoch seine Telefonnummer nicht mehr finden und resignierte. Nachdem wir die aktuelle Nummer des Therapeuten ausfindig machen konnten, vereinbarte Mario einen Termin. Voraussetzung für die Therapie: komplette Drogenabstinenz. Dadurch war Mario nun bereit, jegliche Unterstützung anzunehmen, die er vorher stets abgelehnt hatte. Dazu gehörten auch eine Entgiftung und der Wunsch nach einer Unterbringung in einer drogentherapeutischen Wohngruppe. Da Mario erst 19 Jahre alt war, wandten wir uns zuerst an das zuständige Jugendamt. Die Sozialarbeiterin war mit seinem Fall sehr gut vertraut. Sie wollte, dass Mario sich erst im Durchhalten beweist, bevor sie der Entgiftung und Wohngruppe zustimmt. Er brach bereits zweimal eine therapeutische Wohnform vorzeitig ab. Daher war die Auflage des Jugendamtes, dass Mario mindestens vier Monate regelmäßig an einem Projekt zur Tagesstrukturierung drogenkonsumierender Jugendlicher teilnimmt.

Unsere Arbeit bestand darin, Mario dabei zu motivieren und zu unterstützen. Seine regelmäßige Teilnahme am Projekt konnte in der ersten Woche durch unsere Begleitung erreicht werden. Parallel mussten die regelmäßigen Termine mit seiner Fallmanagerin vom Jobcenter koordiniert und eingehalten werden. Sie sah den aktuellen Fokus ebenfalls in Marios Teilnahme an dem Projekt und dem Einzug in eine drogentherapeutische Wohnform. Dementsprechend war die Suche nach einem Ausbildungsplatz erst einmal zweitrangig.

Mit der Gefahr des Rückfälligwerdens gestaltet sich das Durchhalten einer Ausbildung ohnehin schwierig. Zudem hatte Mario noch die Auflage vom Gericht, sich alle zwei Wochen mit seiner Bewährungshelferin zu treffen. Bei der Koordinierung dieser Termine bekam er ebenfalls Unterstützung von uns. Nachdem sich Mario sechs Monate lang in dem Tagesstrukturierungsprojekt bewährte, fand der Träger des Projektes einen freien Platz in einer therapeutischen Wohngruppe. Dort hatte er seine eigene 1-Zimmer-Wohnung, mehrere Bezugsbetreuer und regelmäßige Gruppentreffen mit anderen Jugendlichen der Wohngruppe. Nachdem die Finanzierung durch das Jugendamt geklärt war, konnte Mario Ende des Jahres in die Wohngruppe einziehen und lebt dort seit nunmehr drei Monaten.

Über den Zeitraum unserer Unterstützung machte Mario eine sichtbar große Veränderung durch. Von Treffen zu Treffen gewann er mehr Vertrauen zu uns und gab viel über sein Leben und seine Gefühle preis. Dadurch konnte er auch ein größeres Selbstvertrauen aufbauen. Er war bereit, sich uns und der Welt zu öffnen, anstatt sich zu verschließen. Er begann uns mit einem Lächeln, später mit einem breiten Lachen, zu begrüßen – sogar mit Handschlag. Seine Haut im Gesicht wurde immer gepflegter und er suchte nach zweijährigem Versäumnis sogar seinen Zahnarzt wieder auf. Gegen Ende des Sommers kam dann die nächste freudige Nachricht von Mario: er hat nun eine Freundin und ist über beide Ohren in sie verliebt. Seit seinem Rückfall im Frühling ist Mario seit 10 Monaten "clean", besucht regelmäßig seinen Therapeuten, nimmt unter der Woche jeden Tag an dem Projekt teil und verpasst keine Termine mehr bei seiner Fallmanagerin. Sein Plan für die Zukunft: er möchte zur Bundeswehr. Dafür ist er sogar bereit, sich seine Tätowierungen an Händen und Armen entfernen zu lassen. Was in der Arbeit mit Mario funktioniert hat, waren zuhören, akzeptieren, dranbleiben und handeln.

Verwahrlosung

Der Grad der Verwahrlosung der Jugendlichen, mit denen es das Jobteam zu tun hat, nimmt zu. Dies betrifft sowohl die Körperhygiene (ungepflegte Haare, starker Körpergeruch, schlechter Zustand der Zähne, schmutzige Kleidung), den Gesundheitszustand als auch den Zustand der Wohnung. Meist geht diese Auffälligkeit mit psychischen Beeinträchtigungen einher.

Junge Mütter bzw. Väter

In 2014 haben wir vier junge Frauen während der Schwangerschaft begleitet, von denen zwei bereits Kinder haben. Bei einigen wurden die Kinder vom Jugendamt in Obhut genommen und die Frauen sind bemüht, ihre Kinder wieder zu bekommen. Für andere stellt die Erziehung der Kinder eine große Herausforderung dar, die aber mit geeigneter Unterstützung (z.B. Familienhilfe) gut gemeistert werden kann. Ziel ist es in jedem Fall, die Eigenverantwortung der jungen Frauen und Männer zu stärken. Das Jobteam unterstützt die Jugendlichen darin, die geeignete Hilfeform zu finden und anzunehmen.

5.3. Wenn der Topf aber nun ein Loch hat – Lost im Ämterdschungel

Wie unterschiedlich die Arbeitsweise der Berliner Jobcenter ist, konnten wir in 2014 an einem besonders dramatischen Fall im Jobcenter Neukölln erleben. Wir hoffen sehr, dass das ein unrühmlicher Einzelfall war.

Fallbeispiel 3

Eine junge Frau, die sich hilfesuchend an uns wandte, stellte im Februar einen Antrag beim Jobcenter Neukölln. Da sie nur Italienisch und Englisch spricht – sie besitzt die italienische Staatsbürgerschaft – kam sie mit den Formularen nicht zurecht und wir unterstützten sie bei der Antragstellung. Nach sechs Wochen wurde sie aufgefordert, weitere Unterlagen zur Bearbeitung einzureichen. Diese brachten wir persönlich vorbei. Als Anfang Juni immer noch kein Bescheid ergangen war (sie lebte sehr spartanisch von ihren geringen Ersparnissen und lieh sich bei Bekannten Geld), sprachen wir gemeinsam vor. Es stellte sich heraus, dass die Unterlagen verloren gegangen waren, obwohl wir bezeugen konnten, dass diese abgegeben wurden.

Das Problem hierbei war, dass ihr Krankenversicherungsstatus ungeklärt war, sie sich in einer Angelegenheit nicht behandeln lassen konnte und die Krankenkasse Mahnungen en masse an sie verschickte. Und alles nur, weil das Jobcenter nicht mit der Bearbeitung vorankam.

Der Antrag wurde also nochmals zur Bearbeitung aufgenommen, und es vergingen wieder mehrere Wochen, in denen nichts passierte. Erst durch das Einreichen einer Dienstaufsichtsbeschwerde kam Bewegung in die Bearbeitung und es wurde ein Bescheid erstellt – es war mittlerweile Anfang August. Allerdings stellte sich heraus, dass dieser fehlerhaft war und bei weitem nicht die Summe enthielt, die ihr zustand. Wir legten Widerspruch ein und sie erteilte uns eine vollumfängliche Vollmacht, sie gegenüber dem Jobcenter zu vertreten. Blöd war nur, dass diese im System nicht hinterlegt wurde und wir keine Auskünfte am Telefon erhalten konnten. Auch um diesen Umstand zu regeln, bedurfte es zwei weiterer Dienstaufsichtsbeschwerden, so dass wir endlich Auskünfte erhielten.

Einem Widerspruch gab man sofort statt, ein anderer zog sich in der Bearbeitung sehr lange hin – vermutlich hing dies mit der ausstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Gewährtung von Sozialleistungen für EU-Bürger zusammen, die im Dezember erfolgen sollte.

Im September stellten wir dann einen Neutrag, und es dauerte bis November, bis sie ein Schreiben erhielt, in der sie doch bitte eine Erklärung abgeben sollte, wovon sie eigentlich lebt. Das war doch mal richtig zynisch. Letztlich lebte sie von dem Geld der Nachzahlung für die bewilligten Monate Februar - Juni 2014. Auch hier war es erforderlich, wieder Dienstaufsichtsbeschwerden, nun auch bei der übergeordneten Behörde, der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, einzulegen, bis dann plötzlich sehr schnell sowohl dem noch ausstehenden Widerspruch für die bisher versagten Monate Juli - August stattgegeben wurde, als auch der Bescheid zur Bewilligung der Leistungen ab September 2014 erging. Dies war auch höchste Zeit, denn mittlerweile war sie in der 11. Schwangerschaftswoche und ein Besuch bei einem Frauenarzt unerlässlich. Durch die Bewilligung waren auch die Beiträge zur Krankenversicherung gezahlt. Für sie war dies sehr erleichternd, da sie mit der deutschen Büokratie nicht vertraut war und sich vor allem nicht verständigen konnte.

Für uns war erschreckend zu erleben, wie langwierig die Bearbeitung war. Zustände in diesem Ausmaß kannten wir bisher nicht, ganz im Gegenteil, im Jobcenter Pankow erfolgt bei auftretenden Problemen, die es ja auch manchmal bei der Erstellung von Bescheiden gibt, eine sehr schnelle Klärung.

6. Gruppenaktivitäten

Ergänzend zur täglichen Einzelbetreuung der Jugendlichen wurden auch einige Gruppenaktionen organisiert. Neben Grillaktionen im Sommer, Kochabenden und einer Weihnachtsfeier zählt hierzu die Fahrt nach Prag vom 10. bis zum 13. Juli 2014.

6.1. Pragfahrt

Vier Tage eine andere Umgebung sehen, vier Tage lang mit einer bisher unbekannten Sprache konfrontiert sein und vier Tage lang mit einer anderen Währung zurechtkommen.
Mit auf die Reise kamen vorrangig die Jugendlichen, die in den letzten Monaten vor allem durch ihr Vorangehen wichtige Erfolge für sich verbuchen konnten. Ein Jugendlicher z.B. hat Anfang des Jahres eine Ausbildung begonnen und alle damit verbundenen Herausforderungen bewältigt, ein anderer hat gerade seine Prüfungen bestanden und eine Jugendliche hatte erfolgreich eine einjährige stationäre Suchttherapie beendet. Das und die anderen kleinen und großen Erfolge der Jugendlichen waren für uns Anlass, ihre Ergebnisse und Bemühungen mit der Fahrt nach Prag anzuerkennen. Es wurde viel gelacht und geredet, auch darüber, wie es weitergeht und welche Erfahrungen wer gemacht hat und wie Hindernisse überwunden wurden. Die Jugendlichen profitierten so von ihren Erfahrungen untereinander. Durch die Reise nach Prag bekamen sie aber auch die Möglichkeit, ihre alltäglichen Sorgen einmal hinter sich zu lassen und ihren Blickwinkel zu erweitern.

Untergebracht waren wir im Hostel Praha Ládvì im Stadtviertel Kobylisy des 8. Prager Verwaltungsbezirkes im Norden der Stadt. Mit der Metro waren es nur fünfzehn Minuten bis ins Zentrum. Der Spaziergang über die berühmte Karlsbrücke, der Besuch der Prager Burg und die nächtliche Besichtigung des Petrin-Turmes, der an den Eiffelturm von Paris erinnert, waren nur einige der Highlights dieser Reise.

Für die Jugendlichen war es eine gute Gelegenheit, sich in einer Stadt zurechtzufinden, in der sie zuvor nie waren. Ob in der Gruppe oder allein unterwegs, jeder erkundete Prag auf seine persönliche Weise und eins steht fest: Prag, wir kommen wieder!

6.2. Internationaler Jugendaustausch bei Zwickau

Außerdem haben wir im Juli für eine Woche am Internationalen Jugendaustausch „Fit for future“ der ifzw-impulsstiftung in der Nähe von Zwickau teilgenommen. Jugendliche aus vier verschiedenen Ländern nahmen teil – aus Lettland, Rumänien, Deutschland und der Türkei. Die besondere Herausforderung war, trotz verschiedener Sprachen einen Weg der gemeinsamen Verständigung zu finden.

Erstaunlich war, wie leicht es auch unseren Jugendlichen fiel, trotz ihrer nicht so stark ausgeprägter Englischkenntnisse mit den anderen Jugendlichen einen Weg zu finden, sich auszudrücken und die gestellten Aufgaben zu lösen. Es wurden Visionen für ein gemeinsames Europa entwickelt, Teamaufgaben gelöst, gemeinsam gekocht, Sport getrieben, Ausstellungen besichtigt und viel gemeinsam gelacht.

Das Ergebnis für unsere Jugendlichen war, so ihr Feedback, dass sie offener geworden sind, Menschen aus fremden Kulturen zu begegnen, und sie sich vorstellen können, allein in diese Länder zu reisen, um die anderen Teilnehmer dort zu besuchen – und das, obwohl sie im Alltag oft gar nicht aus ihrem Kiez herauskommen. Ein echter Fortschritt in Richtung Selbstvertrauen, Selbstorganisation und Eigenverantwortung.

6.3. Feste

Natürlich fanden auch im Jahr 2014 wieder unser Sommergrillen als auch unsere Weihnachtsfeier mit den Jugendlichen statt.

6.4. Externe Nichtschülerprüfung für die Berufsbildungsreife

Darüber haben wir gemeinsam mit unseren Kollegen von Gangway e.V. daran mitgewirkt, ein niedrigschwelliges Konzept zu entwickeln, bei dem Jugendliche sich auf selbstbestimmter und eigenverantwortlicher Basis auf die externe Nichtschülerprüfung für die Berufsbildungsreife (vormals Hauptschulabschluss) vorbereiten können. Erste Durchgänge wurden bereits erfolgreich durchgeführt.

7. Öffentlichkeitsarbeit

Neben der Pflege und Aktualisierung der Website http://www.jobteam-berlin.de hat das Jobteam seine Tätigkeit auf Fachtagungen präsentiert. Eine davon war der Kongress der Evangelischen Obdachlosenhilfe in Bremen vom 29. Oktober bis 1. November 2014 zum Thema „Suppe, Beratung, Politik – welche Kompetenzen und Programme braucht die Wohnungslosenhilfe?“. Hierbei wurde vom Jobteam ein Workshop mit dem Schwerpunkt Obdachlosigkeit bei Jugendlichen mitgestaltet.

Zudem stellte das Jobteam gemeinsam mit den Kollegen von Gangway e.V. seine Arbeit beim Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag unter dem Motto „viel wert. gerecht. wirkungsvoll“ vom 3.-5. Juni 2014 in Berlin an einem Stand und in einem Fachforum vor.

Anläßlich des 15jährigen Bestehens des Jobteams am 1. September 2014 lud Gangway zu einem Vierseiten-gespräch unter dem Titel „Hürden nehmen – Berufliche Beratung schwer erreichbarer junger Menschen“ ein. Es diskutierten Jugendliche mit Vertretern aus Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Sozialer Arbeit über Erfahrungen und Herangehensweisen in der nachhaltigen Integration von benachteiligten jungen Menschen in das Berufsleben. Meist bewegen sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in einem außerordentlichen Spannungsfeld, in dem sie, oftmals ohne Unterstützung durch die Familie und ihr soziales Umfeld ihr Leben bewältigen müssen. Ohne eine berufliche Perspektive, u.a. mit ungenügenden Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbildung, mit „Hunger auf Teilhabe“ und ihren individuellen unentdeckten Fähigkeiten bewegen sie sich zwischen den Institutionen und im besten Falle arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumenten (Maßnahmen) hin und her.

Nicht übereinander, sondern miteinander zu reden und uns über unsere jeweiligen Erfahrungen auszutauschen und von ihnen zu lernen, institutionelle systembedingte Stolpersteine zu benennen und jeweils nach Möglichkeit an deren Verbesserung zu arbeiten, bildeten hierbei das Ziel des Vierseitengespräches. Alle Beteiligten wünschten sich am Ende eine Fortsetzung der Gespräche.

Im Juli 2014 brachten wir gemeinsam mit unseren Kollegen der anderen Berufsberatungsteams von Gangway eine Broschüre mit dem Titel: „Herangehensweisen und Erfahrungen in der Beruflichen Beratung schwer erreichbarer junger Menschen“ heraus. In dieser Broschüre haben wir einerseits die Arbeitsansätze zusammengefasst, mit denen wir versuchen, die Startchancen der Jugendlichen durch intensive sozialpädagogische Unterstützung zu verbessern. Andererseits benennen wir Hemmnisse und Stolpersteine, die aus unserer Sicht einen Übergang in das Erwachsenenleben durch Integration in den Arbeitsmarkt erschweren.

8. Ausblick

Wir werden auch 2015 alles daran setzen, dem Bedarf der Jugendlichen und der hohen Nachfrage nach unserem Angebot gerecht zu werden. Unser Ziel ist es, trotz der der zunehmenden Komplexität von Problemlagen bei den Jugendlichen in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter Pankow und unseren anderen Kooperationspartnern an die Vermittlungserfolge von 2014 anzuknüpfen. Wir werden die Jugendlichen engagiert unterstützen, ihre beruflichen und persönlichen Ziel zu erreichen. Zudem streben wir wieder eine Aktion mit den Jugendlichen an, bei der sie einen wertvollen Beitrag für die Gemeinschaft leisten können und in diesem Rahmen wieder einen Jugendaustausch organisieren.

Das Jobteam bedankt sich bei allen Kooperationspartnern, ohne die die Arbeit und die Erfolge nicht möglich wären. Unser Dank gilt auch den Unternehmen, die unsere Arbeit durch Sachspenden unterstützt habe.

Und natürlich bedanken wir uns bei allen Menschen und Organisationen, die uns hier bei Betterplace unterstützt haben, so dass wir unseren Beratungsbus, der im 2014 doch einige außerplanmäßige Reparaturen hatte, schnell wieder flott bekamen.

[1] Zur einfacheren Lesbarkeit wird im Text die männliche Form verwendet. Gemeint sind immer die weibliche und die männliche Form.






Ergebnisse 2014 und bitte unterstützen Sie unser Projekt auch im Jahr 2015. Vielen Dank!