Afrikanische NGOs: unabhängige Akteure oder Handlanger des Westens?

Joana Breidenbach
18.07.2009

Eines der wissenschaftlichen Journale, die ich verfolge, ist Development and Change (und nicht nur, weil ich dort auch veröffentlich habe). Gerade kam mir ein interessanter Artikel zum Thema Zivilgesellschaft und NGOs in Afrika in die Hände: African NGOs: The New Compradors? (der direkte Link auf den Artikel scheint defekt). Das Thema: welche Rolle spielen lokale, in diesem Fall afrikanische, Nichtregierungsorganisationen in der entwicklungspolitischen Landschaft?

Ein Ziel von betterplace ist es neben den prominenten internationalen NGOs auch lokalen Organisationen eine Plattform zu geben, auf der sie ihre Arbeit vorstellen können und Unterstützung mobilisieren können. Dabei entsteht leicht der Eindruck, als handelte es sich um zwei völlig verschiedene Gruppen: auf der einen Seite die westlichen großen NGOs (Oxfam, Care, Caritas etc.) und auf der anderen Seite die kleinen, lokal verwurzelten Grassroot-Organisationen. Diese Zweiteilung ist zudem gelegentlich noch mit einem Werturteil verbunden, demnach klein und lokal mit besser, effektiver und effizienter gleichgesetzt wird als groß und global. Diese simple Dichotomie wird von Julie Hearn, Autorin von African NGOs herausgefordert.

Explosives Wachstum

Hearns Ausgangspunkt ist das massive Wachstum afrikanischer NGOs in den letzten 25 Jahren. Gab es 1990 in Tanzania gerade mal 41 registrierte Nichtregierungsorganisationen so waren es 2000 schon 10.000! Und managten 1990 afrikanische NGOs weniger als US$ 1 Milliarde an Hilfsgeldern, so standen ihnen 10 Jahre später schon US$ 3.5. Milliarden zur Verfügung.

In den 1980er und 90er Jahren wurden lokale afrikanische Organisationen als Wundermittel gegen die den Kontinent plagende Armut und soziale Ungerechtigkeit angesehen: hier sei ein wirksames Instrument gegen das gescheiterte top-down Management der internationalen Entwicklungshilfeorganisationen, von Weltbank bis UN. Lokale Organisationen, so die weit verbreitete Annahme, würden lokale Bevölkerungen ermächtigen und ihnen eine längst überfällige Stimme geben.

Mitte der 90er Jahre wurde der Diskurs dann kritischer und zum ersten Mal forderten Entwicklungshelfer im Feld und empirische wissenschaftliche Studien das positive Bild einer aufblühenden, pluralistischen afrikanischen Zivilgesellschaft heraus. Studien mit Titel wie Undermining Development: The Absence of Power among Local NGOs (Michael 2004), zeigten anhand von Case Studies in verschiedensten afrikanischen Staaten, dass einheimische afrikanische NGOs weitgehend machtlos sind.

Diese Bestandaufnahme wurde von einigen, vorwiegend afrikanischen Beobachtern noch weitergeführt, die die Machtbeziehungen zwischen westlichen Hilfsorganisationen und staatlichen Entwicklungshilfeinstitutionen auf der einen Seite und ihren afrikanischen Pendants auf der anderen Seite höchst kritisch hinterfragen. Westliche Staaten hätten keineswegs ihren Machtanspruch in Afrika aufgegeben, sondern ihn nur dahingehend verlagert, dass sie weniger direkt als nunmehr indirekt, durch afrikanische Partner, ihren Einfluß ausübten. Denn die Gelder, mit denen Entwicklung vorangetrieben werden soll, stammen nach wie vor aus dem Westen.

NGOs – „the place to make money“

Andere kritische Stimmen verwiesen darauf, dass nur weil NGOs von Afrikanern betrieben werden, sie per se besser seien müssten als die ihrer internationalen Kollegen. Denn der Boom der afrikansischen Zivilorganisationen fällt in eine Periode des wirtschaftlichen Kollapes: zwischen 1982 und 1995 belief sich das durchschnittliche Wirtschaftswachstum der Sub-Saharischen Staaten auf minus 1.1% und koinzidierte mit einem rapiden Fall des Lebensstandards. In dieser Situation stellte ausländische Entwicklungshilfe – kanalisiert durch einheimische Partnerorganisationen – in vielen Staaten die wichtigste Geldquelle dar. In der Folge dienten NGOs als:

safety net for the African petit bourgeois to survive and maintain their livelihood in the most appalling economic conditions. As both the state and the private sector have dried up as sites of either accumulation or ‚’rent seeking’, the voluntary sector, with ist sigificant inflows of external funding, has become the place to make money. The NGOs sector expanded exponentially, fuelling comments about the creation of ‚bogus’ NGOs that were in fact just ‚husband and wife NGOs’ or ‚briefcase NGOs’. (…) an interview with the director of a Ugandan NGO shows how this trend continues. Look (he says) I am not going to be shy about this – this is in the first place a business. We think first of our own survival, secondly about other people’s survival’

Scheinautonomie

Aber auch lokale NGOs, die seriöse Arbeit leisten, sind oft viel weniger unabhängig, als es den Anschein hat. Das liegt hauptsächlich daran, dass sie über 90% ihrer Gelder von den großen, internationalen Organisationen erhalten. Diese sind ihrerseits aus Imagegründen gezwungen mit lokalen Partnerorganisationen zusammenzuarbeiten (ansonsten heißt es, der Westen würde den afrikanischen Kontinent rekolonisieren) und haben sich in den letzten Jahren Buzzwords wie „Partizipation“, „Ownership“ und „Rechenschaft den Armen gegenüber“ auf die Fahnen geschrieben.

Aber in der Praxis sieht das meist anders aus und Projekte werden nicht vor Ort, in Kampala, Maputo oder Freetown entworfen, sondern in den Londoner, Washingtoner oder Pariser Headquarters der Entwicklungshilfeorganisationen. In diesem Prozess der Projektentwicklung und Implementierung werden die Interessen der lokalen Partner (und der Bevölkerungen) nachweislich nur zu oft übergangen.

Hearns Fazit: Afrikanische NGOs sind „lokale Verwalter internationaler Entwicklungshilfegelder, nicht eigenständige Manager lokaler, afrikanischer Entwicklungsprozesse.“