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Reisebericht Jordanien (Juli 2019)

Aynouna e. V.
Aynouna e. V. wrote on 10-11-2019



Jordanien, so viele Fragen hatten wir vor unserer Ankunft und so voller Vorfreude und Spannung waren wir, welche Antworten wir bekommen würden. Wie ist die Sicherheitslage? Wie sollte man sich am besten kleiden? Wie würden wir in den Schulen empfangen werden und wie gut kann man ohne Arabischkenntnisse kommunizieren? Als sich die Flügel des Flugzeuges neigten, konnten wir einen ersten Blick auf das fremde Land erhaschen: vor uns breitete sich die Unendlichkeit eines Wüstenlandes aus. Das Gelb der trockenen Erde zeichnete sich klar gegen den wolkenlosen blauen Himmel ab. Eine scheinbar endlose Straße verlor sich im Horizont.

Es war das bereits 6. Mal, dass eine Gruppe von Aynouna-Mitgliedern nach Amman fliegt. Diesen Sommer reisten Berna, Marie, Noushin, Marie-Christin und Jad in das Wüstenland, um sich vor Ort mit den Leitern der Projekte in der Hope School und Azraq School auszutauschen und eine neue Verteilaktion mit Versorgungspaketen zu starten. Wie auch in den Jahren zuvor, standen wir nach unserer Ankunft in Amman im engen Kontakt zu Hassan und seiner Familie. Die zuerst praktische Beziehung zur Organisation der Hilfspakete hat sich längst in eine richtige Freundschaft verwandelt. Die Gastfreundschaft, mit der wir empfangen wurden, war grenzenlos und überraschte uns immer wieder aufs Neue. Dank unserer zentralen Unterkunft, unseres Mietwagens, den praktischen Ortskenntnissen und zahllosen Kontakten über die Freunde von Hassan, war es uns möglich, unseren straffen Zeitplan einzuhalten.

Hope School

Die Hope School liegt südlich von Amman in einem ärmeren Stadtviertel. Sie macht ihrem hoffnungsvollen Namen alle Ehre, da durch die bunten Girlanden, die Schaukeln und die Kletterwand auf dem Schulhof eine herzliche und aufgeschlossene Atmosphäre geschaffen wird. Die Schule gibt Zuversicht, Bildung auch für Geflüchtete und die ärmste Schicht der lokalen jordanischen Kinder zugänglich zu machen. Hier finden sich Kinder verschiedenen Alters vom Kindergarten bis zur 6. Klasse zusammen. Tatsächlich variiert das Alter der Kinder recht stark, da manchen SchülerInnen durch den Krieg und die Flucht über einige Zeit der Zugang zur Bildung genommen wurde. Aktuell werden an der Hope School knapp 80 SchülerInnen unterrichtet. Die Anzahl der SchülerInnen wird zum einen über die Kapazitäten der Klassenräume und zum anderen über die Anzahl der verfügbaren Schulbusse limitiert. Derzeit gibt es einen Schulbus, der die SchülerInnen im Umkreis von 15 km jeden Morgen einsammelt und am Nachmittag wieder zurück nachhause bringt. In den Bus passen offiziell elf SchülerInnen, doch mit Optimismus finden auch 21 ihren Platz auf dem Weg zur Schule. Die Spendengelder von Aynouna flossen in der Hope School neben Lehrergehältern und Schulmaterialien besonders in den Bau von einem neuen Klassenzimmer sowie einer neuen Schulbibliothek. Bei unserem Besuch haben wir uns sehr über die gute Umsetzung und die Ausstattung der Räume mit Tischen und Stühlen gefreut. Ein noch offenes Projekt ist die Fertigstellung der sanitären Anlagen, da derzeit jeweils nur eine Toilette für Mädchen und eine für Jungen zur Verfügung stehen.

Verteilaktion

Dank der Zusammenarbeit mit unserem Freund Hassan konnten wir auch dieses Jahr wieder eine Verteilaktion von Versorgungspaketen organisieren. Die Spendengelder reichten für 50 Versorgungspakete für jeweils 30 Euro, um jeweils eine Familie für einen Monat versorgen zu können. Die Pakete enthielten eine Vielzahl an Dingen, die von Reis, Zucker, Öl und Hummus bis hin zu Salz, Milch und Seife reichten. Doch wie sollten die wenigen Versorgungspakete unter den vielen bedürftigen Familien verteilt werden? Die Frauen, die in der Gruppe auf uns mit den Paketen warteten, wurden aufgrund ihrer besonders schwierigen Lebenssituation ausgesucht. Viele Frauen haben ihre Männer oder andere geliebte Menschen verloren. Nun sind sie alleine verantwortlich für das tägliche Überleben. Die finanzielle Lage der Geflüchteten in Jordanien wird dadurch erschwert, dass Syrern in Jordanien nur eine Arbeitserlaubnis für einfache Tätigkeiten, wie z.B. der Arbeit in der Landwirtschaft oder in Fabriken, erteilt wird. Einen angemessenen Lohn oder Stellen, die ihrem Ausbildungsgrad entsprechen, bekommen sie nicht. Der geringe Lohn reicht meist kaum aus, um die Miete zu bezahlen, denn die Lebenshaltungskosten liegen in einem ähnlichen hohen Bereich wie in Europa. Auch das Netz der Hilfsorganisationen weist immer wieder Lücken auf, weshalb manche Stadtgebiete keine Unterstützung erfahren und die dort lebenden Geflüchteten besonders isoliert sind. Es hat uns betroffen gemacht, wie viele Familien von Spendengeldern aus dem Ausland angewiesen sind, um ihr tägliches Überleben zu sichern. In dieser Situation haben wir uns gewünscht, noch mehr Mittel zur Verfügung zu haben, um diese Menschen weiter unterstützen zu können. Nachdem die Pakete verteilt waren, ließen es sich die Frauen nicht nehmen, uns zu einem Stück Kuchen einzuladen. Zusammen saßen wir an einem Tisch und genossen gemeinsam die unbefangene Süße des Nachtisches.

Azraq School – Campus A

Das Naturreservat in Azraq war bis zu den achtziger Jahren eine Oase mit einer sich über viele Quadratkilometer ausstreckenden Wasserfläche. Doch heute ist von dem Blau, was auf Arabisch „azraq“, heißt, nur noch ein Bruchteil übrig. Der Durst der nahegelegenen Großstadt Amman hat das Wasserbett ausgedörrt. Seit 1960 wurde stetig Wasser abgepumpt. Jede fünfte Wasserflasche wird noch heute mit dem Wasser des Reservats gefüllt. Um das Verschwinden der Oase und damit den Lebensraum von kleinsten Lebewesen, Vögeln und Wasserbüffeln zu erhalten, wird dem Reservat noch heute künstlich Wasser zugeführt. Dennoch nimmt jedes Jahr die Wassermenge ab. Der Kontrast zu dem Grün und dem frischen Nass zu seiner umliegenden Umgebung könnte kaum größer sein. Azraq liegt 100 km von der Hauptstadt Amman entfernt. Mit dem Leihauto fuhren wir über eine Stunde durch die trockene Landschaft von Jordanien. Das Gras ist vertrocknet und alles wirkt staubig. Es ist fast schon unwirklich, dass sich Menschen in diesem so wasserarmen Land niedergelassen haben. Hin und wieder sahen wir freie Kamele, die optisch wunderbar in die Landschaft passten. Ein Beduine aus Wadi Rum erklärte uns, dass die Kamele oft freigelassen werden und nach zwei bis vier Wochen wieder zurück zu ihrer zuverlässigen Wasserquellen bei den Beduinen kämen. Manche Kamele wurden in ihrer Schrittlänge durch eine Art Fußfessel zwischen den Vorderläufen beschränkt. Dadurch soll verhindert werden, dass sie allzu weite Reisen nach Saudi-Arabien unternehmen. Unsere Tagträume wurden durch die Straßenschilder unterbrochen. Ihre Aufschriften kündigten das Flüchtlingscamp von Azraq an. Bald erstreckten sich hunderte von Zelten vor uns. Das abseits gelegene Flüchtlingscamp von Azraq bietet derzeit Zuflucht für über 40.000 Menschen. Das Fotografieren ist in den militarisierten Gebieten verboten und alle paar Kilometer sieht man Checkpoints, die hin und wieder Fahrer aus dem Verkehr ziehen und überprüfen. Als wir letztlich im Ort Azraq ankamen, waren die Zeichen von Armut überall zu erkennen. An den holprigen Straßen lag Müll herum, die Häuser waren klein und von behelfsmäßigen Zäunen umgeben und es waren kaum Menschen auf den Straßen. Die Sonne brannte erbarmungslos vom blauen Himmel herab, als wir vor der Azraq School hielten. Die Azraq School besteht aus mehreren Containerkomplexen, die u.a. als Klassenräume dienen. Der Kontrast zwischen dem ungemütlichen Stadtbild und den schützend den Schulhof umschließenden Containern war beeindruckend. Die Azraq School ist bunt und überall finden sich schattige Plätze, die zum Spielen und Sitzen einladen. Das Lachen der Schulkinder und ihre neugierigen aufgeweckten Gesichter begleiteten uns, während wir von der Schulleiterin empfangen wurden.  Kaum dass wir saßen, wurden uns süßer Tee und köstliche Datteln angeboten. Die Gastfreundschaft in diesem Land ist einfach unglaublich groß. Die Schulleiterin berichtete uns, dass hier 120 Kinder zur Schule gingen. Zunächst wurden diese von syrischen LehrerInnen unterrichtet. Leider hat die Regierung kürzlich Syrern untersagt, als LehrerInnen zu arbeiten. Doch auch wenn die LehrerInnen nicht mehr unterrichten können, dürfen Sie nun anderen Aufgaben in der Schule nachgehen.

Wir waren beeindruckt, als wir sofort auf Englisch von der gesamten Klasse begrüßt wurden. Ein Mädchen stand plötzlich aus der ersten Reihe auf und stellte sich mit klarem Englisch vor. Ihre Ausstrahlung und der feste Blick waren zutiefst beeindruckend. Es zeigte, dass dieser Ort so viel mehr als nur eine Schule ist. Dieser Ort gibt Hoffnung, Kraft und Zuversicht auf eine gute Zukunft. Was die Kinder bereits in ihren jungen Jahren erlebt haben, können wir uns kaum vorstellen. Viele haben schwere Verluste erlitten, Bilder gesehen, die sie nicht mehr loslassen und fast alle ihr Zuhause verloren. Doch diese bedrückende Seite scheint an diesem Ort zu verschwinden. Die Container sind bunt gestaltet und auf einer ihrer Wände steht geschrieben: „You can’t stop the waves, but you can learn to surf! (Du kannst die Wellen nicht aufhalten, aber lernen [auf ihnen] zu surfen!)“.

Azraq School – Campus B

Besonders gespannt waren wir auf den neuen Campus B. Im vergangenen Dezember 2018 wurde der neue Schulkomplex bereits fertiggestellt und übergeben. Der Schulbau war ein großes internationales Projekt zwischen einer dänischen Firma, die den Entwurf geliefert hat, und lokalen Arbeitern, die während des Baus angelernt wurden. Dies bedeutete natürlich, dass der Bau langsamer fortschritt als bei professioneller Ausführung, hatte allerdings den Vorteil, dass neue Kräfte geschult wurden.

Zum Zeitpunkt unserer Reise wurde der Neubau wegen diverser Baumängel und mangelnden Sicherheitsstandards bisher nicht von den jordanischen Behörden freigegeben. Die noch notwendigen Baumaßnahmen sollen in den nächsten Monaten durchgeführt werden. Wann mit der endgültigen Fertigstellung und Freigabe seitens der Behörden zu rechnen ist, bleibt unklar.

Abschluss der Reise

Unseren Besuch in Amman schlossen wir mit unserem Freund Hassan ab. Der Austausch mit ihm und die direkte Begegnung mit den SchülerInnen und LehrerInnen zeigten, dass auch unsere vergleichsweise kleinen Hilfsprojekte wichtig sind. Der persönliche Kontakt verhindert die Anonymität und schafft Verbundenheit. Durch unseren Besuch haben wir neue Eindrücke und Energie für die Vereinsarbeit und Projekte schöpfen dürfen. Unser weiterer Weg führte uns von Amman über das Tote Meer weiter bis in den Süden Jordaniens, wo dir die Steinstadt Petra, den Sternenhimmel der Wüste und die Fische des roten Meeres bestaunen durften.

Jordanien ist mehr als ein Grenzland zu Syrien, mehr als ein großes Flüchtlingslager. Es bleibt zu hoffen, dass die Unterschiede zwischen den verschiedenen Herkunftsländern der Menschen verschwinden und sie dieses Land als gemeinsame Heimat betrachten können.