Brief vom technischen Vorstand zur Situation der ALAN KURDI

„Statt mit unserem Schiff Menschen zu retten, fand ich mich in Rom und diskutierte mit einem italienischen Admiral über unsere Sanitäranlagen“
Liebe Freund*innen von Sea-Eye,
bitte sehen Sie es mir nach, dass ich in meinem Schreiben „gleich mit der Tür ins Haus falle“.
Aber ich habe im Juni diesen Jahres etwas erleben müssen, was mir keine Ruhe mehr lässt.
Als technischer Vorstand bin ich für den Zustand unseres Rettungsschiffes ALAN KURDI verantwortlich. Wie Sie bestimmt aus den Medien mitbekommen haben, hielt die italienische Küstenwache unsere ALAN KURDI seit dem 5. Mai in Palermo fest.
Unser Flaggenstaat rügte die italienische Verkehrsbehörde, doch es nutzte nichts. Zusammen mit unserem Vorsitzenden flog ich nach Rom, um mit dem verantwortlichen Admiral Giardino eine Lösung zu finden.
Während im Juni Menschen starben, diskutierten wir allen Ernstes mit drei hochrangigen Küstenwächtern und dem Admiral über die Anzahl der Toiletten auf unserem Schiff und über das Volumen unserer Fäkalientanks. Man sei nur um die Sicherheit meiner Crew und der Geretteten bekümmert, so hieß es.
Nach langen Diskussionen ließen die Küstenwächter unser Schiff noch einmal los und drohten uns mit der nächsten Festsetzung, wenn wir wieder mit zu wenig Müllbehältern und Toiletten Menschen vor dem Ertrinken retten würden. Zwar widersprechen die deutschen Behörden dieser Sichtweise, doch das schützt uns nicht vor einer weiteren Festsetzung.
Die ALAN KURDI in den Einsatz zu schicken, hat für mich allerhöchste Priorität, unabhängig von den unterschiedlichen rein technokratischen Sichtweisen.
Während wir in Palermo Widerspruch einlegen, möchten mein Team und ich die zusätzlichen technischen Anforderungen freiwillig erfüllen. Wir können hier nicht warten, bis ein Gericht in drei Monaten oder in drei Jahren feststellt, dass Deutschland richtig lag.
Um den Toiletten-bezogenen „Mangel“ zu beheben und weitere Anforderungen für den neuen Standard zu erfüllen, benötigen wir rund 100.000 €. Das kosten uns die Arbeiten in einer spanischen Werft.
Und deshalb wende ich mich an Sie, um Sie zu bitten, uns noch einmal zu helfen. Wir haben zwar genug zweckgebundene Spenden für den nächsten Einsatz, aber eben nicht, um diesen zusätzlichen Standard „Standby Rescue Vessel“ zu erfüllen.
Darf ich erneut mit Ihrer Unterstützung rechnen?
Es wäre großartig. Denn ich würde wirklich gerne in den nächsten Tagen mein Team nach Spanien senden, um dann endlich wieder das zu tun, wofür wir eigentlich da sind. Leben retten.
Vielen Dank.
Ihr Dominik Reisinger
