130 Menschen ertrinken vor Küste Libyens - Sea-Watch 4 auf dem Weg ins Einsatzgebiet!
Liebe Sea-Watch Unterstützer*innen,
Vor wenigen Minuten brach die Sea-Watch 4 in ihren nächsten Einsatz ins Such- und Rettungsgebiet vor Libyen auf. Dass wir mehr denn je gebraucht werden, zeigt nicht zuletzt das tragische Ereignis von gestern: Bei einem Schiffsunglück vor der libyschen Küste ertranken ungefähr 130 Menschen. Diese Menschen hätten eine Chance auf Rettung gehabt, wenn die EU-Staaten und ihre Behörden zivile Seenotrettung nicht systematisch kriminalisieren würden.
Anfang März hob das Verwaltungsgericht in Palermo die 6-monatige Blockade der Sea-Watch 4 vorläufig auf, die unter anderem auf den fadenscheinigen Gründen basierte, dass das Schiff zu viele Rettungswesten an Bord habe sowie dass das Abwassersystem nicht für die Anzahl möglicher geretteter Personen ausgelegt sei. Die willkürliche Blockade der Sea-Watch 4 reiht sich ein in Europas Strategie im Umgang mit Flüchtenden und Migration: Abschottung wird über Menschenrechte gestellt und die tödlichen Konsequenzen der Blockadepolitik billigend in Kauf genommen. Über 1000 Menschen sind seit der Festsetzung der Sea-Watch 4 im September im zentralen Mittelmeer ertrunken. Tausende wurden völkerrechtswidrig im Auftrag Europas von der sogenannten Libyschen Küstenwache zurück in Folter und Elend geschleppt. Die Sea-Watch 4 beim Verlassen des Hafens Foto: Jonathan Bert
Erst gestern ertranken Schätzungen zufolge 130 Menschen bei einem Schiffsunglück vor der libyschen Küste. Obwohl die Koordinaten des Bootes bekannt waren und ein Flugzeug der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX das Boot sichtete, wurde keine Rettung eingeleitet. Die europäischen Behörden verwiesen stattdessen auf die sogenannte Libysche Küstenwache, die sich jedoch weigerte, eine Rettungsaktion zu starten oder zu koordinieren. Später konnte die Besatzung der Ocean Viking der Organisation SOS MEDITERRANEE nach Ankunft am Unglücksort nur noch mehrere tote Körper im Wasser bezeugen. Aufgrund der gestrigen Ereignisse und in Trauer um die Ertrunkenen verließ die Sea-Watch 4 den spanischen Hafen heute mit den Flaggen auf Halbmast.
Keine 24 Stunden vor dem Schiffsunglück hatte der Bundestag die deutsche Beteiligung an der EU-Mission IRINI im zentralen Mittelmeer für zwei weitere Jahre verlängert. Zentraler Bestandteil von IRINI ist die Fortsetzung der Ausbildung und Finanzierung der sogenannten Libyschen Küstenwache. Diese Entscheidung ist ein im deutschen Bundestag beschlossener Völkerrechtsbruch und besiegelt das Schicksal tausender Flüchtenden, die aufgrund dieser tödlichen EU-Grenzpolitik in den nächsten zwei Jahren vor den Toren Europas ertrinken werden! Schweigeminute für die Opfer des Unglücks an Bord der Sea-Watch 4 Foto: Fabian Melber
Auch die systematische Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung, die in den letzten Monaten einen neuen Höhepunkt erreichte, trägt ihren Teil zur tödlichen Bilanz der letzten Tage bei: Während unsere Schiffe immer und immer wieder durch Festsetzungen vom Retten abgehalten werden, versuchen die italienischen Behörden auch, durch Ermittlungen gegen in Vergangenheit bei Rettungseinsätzen aktive Mitglieder von NGOs, diese einzuschüchtern. Mit haltlosen Vorwürfen ermitteln die italienischen Behörden aktuell gegen Aktivist*innen der Organisationen Jugend Rettet, Mediterranea, Ärzte ohne Grenzen und Save the Children. Vier Crewmitgliedern des Seenotrettungsschiffes Iuventa der Organisation Jugend Rettet drohen bis zu 20 Jahre Haft, weil sie Menschen vor dem Ertrinken gerettet haben.
Doch auch diese Abschreckungsversuche der italienischen Justiz werden kläglich scheitern. Je stärker ihre Repressionen werden, desto größer wird unser Widerstand und unsere Solidarität miteinander. Wir lassen uns von absurden Vorwürfen und abenteuerlichen Ermittlungsmethoden nicht einschüchtern und werden solange weitermachen, bis es endlich sichere Fluchtwege nach Europa gibt! Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis von Spender*innen und Unterstützter*innen sowie hunderten Aktivist*innen weltweit stärken uns hierbei den Rücken. Mehr dazu, wie Du uns und unsere Arbeit unterstützen kannst, findest Du auf unserer Website!
Herzlichen Dank für Deine Solidarität im Namen der gesamten Sea-Watch-Crew auf dem Wasser, in der Luft und an Land!
Dein Johannes Vorstandsvorsitzender Sea-Watch e.V.