Helmut Wallrath* ist 78 Jahre alt und lebt seit gut einem Jahr im Bonhoeffer Haus, einem Senioren- und Pflegeheim des Neukirchener Erziehungsvereins in Krefeld. Nach zwei Schlaganfällen und aufgrund seiner fortschreitenden Demenz hat er große Probleme, sich im Alltag zurechtzufinden. Er spricht kaum noch mit seinen Mitmenschen, ist sehr in sich gekehrt, verbittert und einsam. Ein Schicksal, das er mit vielen alten Menschen in seiner Situation teilt.
Claudia Koch-Glasmacher ist Diplom-Musiktherapeutin und kennt aus ihrer über 40-jährigen Berufspraxis Menschen wie Helmut Wallrath. Sie ist ihnen in Krankenhäusern, Seniorenheimen und Rehabilitationseinrichtungen begegnet und hat viele hunderte Stunden mit ihnen verbracht.
„In meiner Arbeit treffe ich immer auf das gesamte Spektrum des Lebens. Gerade bei alten, aber auch bei von Demenz betroffenen Menschen weiß ich, dass Musik der Türöffner ist. Es besteht ein sehr großer Bedarf an Zuwendung, besonders bei Alten und Pflegebedürftigen. Musik, Rhythmus, Gesang – das ist der direkte Weg zu ihren Emotionen.“
So konnte sie auch eine Verbindung zu Helmut Wallrath aufbauen. Zuerst über Klänge und gesummte Melodien, nonverbal, unaufdringlich, völlig ergebnisoffen. Die Musiktherapeutin geht ohne konkretes Ziel an die Arbeit, lässt geschehen, was geschieht, öffnet sich den Menschen und lässt Emotionen und Gefühle zu. Sie hat noch nie erlebt, dass sich ein alter Mensch dem musiktherapeutischen Ansatz verschlossen hätte. Oftmals sind es Lieder aus der Jugend oder dem frühen Erwachsenenalter, die die Brücke bauen. „Eine Brücke ins Biografische“, wie Koch-Glasmacher sagt.
Musikalische Seelsorge
Oftmals setzt sich die Therapeutin ans Klavier, das in die Bewohnerzimmer geschoben wird. Ein einfacher Akkord, ein Kinderlied, tiefe wohltuende Klänge – das ist häufig der Beginn einer Begegnung. Gerne setzt Koch-Glasmacher auch die Körpertambura ein. Dies ist ein Resonanzkörper, aus wertvollem Holz handwerklich ansprechend gearbeitet, mit tieftönenden Klaviersaiten bespannt. Ein Grundton und die Quinte dazu erzeugen einen harmonischen Klang, der durch die Auflage des Instruments am Körper auf diesen übertragen wird. Klang und Schwingung versetzen dabei den alten Menschen gleichsam in Schwingung. Verkrampfungen lösen sich, Gesichtszüge werden weicher, Wohlbefinden stellt sich ein.
„Wir brauchen gar nicht so viel an Material. Ein gutes Klavier, eine Körpertambura, vielleicht ein Glockenspiel, eine Handtrommel, Klangstäbe. Und sehr viel Zeit.“ Helmut Wallrath hat durch das musiktherapeutische Angebot die Freude am Leben zurückbekommen. Es hat über ein Jahr gedauert, aber jetzt ist er viel ausgeglichener. Er spricht wieder mehr, nimmt am sozialen Leben in der Pflegeeinrichtung teil und genießt die Treffen mit Claudia Koch-Glasmacher.
* Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte haben wir den Namen geändert