Skip to main contentShow accessibility statement
Change the world with your donation

Menschen für Menschen

Julia Altenberger
Julia Altenberger wrote on 02-12-2019

Abaas traumatische Erlebnisse stecken tief: Schon mehrere Generationen seiner Familie leben im Krieg, haben Angehörige und Freunde verloren und leiden unterständiger Angst. »Jeder trägt eine Waffe«, erzählt Abaas. »Wenn man aber nicht kämpfen und töten will, was soll man machen?«. Seine Mutter habe darauf bestanden, dass er Sicherheit und Freiheit suche, anstatt gegen den IS aufs Schlachtfeld zu ziehen.

Also wagte sich Abaas übers Meer. In einem geschlossenen LKW ging es weiter und schließlich tagelang zu Fuß durch dunkle Wälder. Abaas hat die Bilder noch vor sich, wenn er die Augen schließt: Militärs patrouillieren an Grenzen, Kinder schreien. Seinen Schlafsack gab er auf der Flucht an eine Familie weiter, die ihn nötiger brauchte. Nicht alle haben es geschafft. »Es war wie ein Horrorfilm«, erzählt Abaas. Er berichtet von Übergriffen im serbischen Gefängnis, die ihn schockiert hätten, dachte er doch, willkürliche Gewalt gäbe esin Europa nicht. »Aber alle spielen mit den Menschen«.

Integriert und doch fremd
Inzwischen hat Abaas in Deutschland Fuß gefasst, hat Freunde und eine Arbeit gefunden. »Am Anfang habe ich viel Radio gehört, um Deutsch zu lernen«, erzählt der reflektierte, junge Mann mit den freundlichen, offenen Augen. Er liebt es, Joggen zu gehen und zu schwimmen.
Dennoch weiß Abaas, wie sich Heimweh anfühlt. »Man ist und bleibt fremd. Wie mit schmutziger Kleidung in einem Konzert: Niemand kennt dich, aber alle schauen«. So fühle er sich manchmal – »aber ich lebe!«. Essei auch schwierig, nicht frei entscheiden zu können, was man machen möchte. So habe er Chefs erlebt, die keine Ausländer*innen wollen oder nurdann, wenn sie weniger kosten. Abaas würde gern studieren. Die dafür nötige DSH (Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang) hat er schon bestanden. Sein Abiturzeugnis wurde anerkannt, seine irakische Ausbildung zum Teil: Vier Monate Praxiserfahrung und Kundenkontakt möchte er nun nachholen, damit sein »Technical Diploma in Accounting« auch hier gilt.

Diakonie unterstützt
»Ich mag Diakonie«, sagt Abaas. Unterstützung bekommt er vonAlexandra Bendrich, Mitarbeiterin der Flüchtlings- und Integrationsberatung der Diakonie Erlangen. Dreimal pro Woche ist sie in einer Sprechstunde für Abaas und die Menschen, die mit ihm im Container leben, da. Bendrich berät in allen Lebensbereichen, ob in Fragen zum Asylverfahren, zu Sprachkursen oder bei persönlichen Problemen – zum Teil mit Hilfe von Übersetzern*innen. »Ziel ist es, den Menschen dabei zu helfen, eine tragfähige Perspektive für ihr weiteres Lebenzu entwickeln«, so die 51-Jährige, »besonders wichtig ist eine Beschäftigungfür alle«. Darüber hinaus sei der Zugang zu professioneller psychotherapeutischer Hilfe schwierig und mit langen Wartezeiten verbunden.

Voneinander lernen
Abaas kenne viele Geflüchtete, die unter ihrer Situation noch stärker littenals er. Es sind Leute, die auch schon länger hier sind, aber es nicht geschafft haben, so schnell Deutsch zu lernen, die Bürokratie zu bewältigen oder eine Arbeit zu finden. Einige sind durch Depressionen gelähmt oder stark traumatisiert und betäuben sich mit Drogen. Abaas versucht ihnen zu helfen, für sie da zu sein. »Es ist nicht gut, nur an sich zu denken – wir sind alle Menschen für Menschen«.