Skip to main contentShow accessibility statement
betterplace.org
Change the world with your donation

Volker Nack mit seinem Mitarbeiter José Luis in Lahr

U. Michel
U. Michel wrote on 18-06-2016

Seit 15 Jahren arbeitet José Luis Aguila Rodríguez nun schon als pädagogischer Begleiter für die Hilfsorganisation BLANSAL in der peruanischen Stadt Arequipa. Er ist der Tutor und damit „Vaterersatz“ für die Jungs, die im Kinderheim Casa Verde leben.

Auf Einladung von Unterstützern hier in Deutschland kam er, um das Heimatland seines „Chefs“ kennen zu lernen. Am Montag 13. Juni war er zusammen mit Volker Nack in Lahr zu Besuch und erzählte dort von seiner Arbeit.


Limit 600x450 image

Peru hat in den vergangenen 10 Jahren eine enorme wirtschaftliche Entwicklung erlebt. Der Lebensstandard für viele Menschen ist gestiegen. Gleichzeitig sind aber auch die Lebenshaltungskosten gestiegen und Menschen, die vor dem wirtschaftlichen Aufschwung schon arm waren, sind noch ein Stück ärmer geworden. In den Familien versucht oft ein Elternteil alleine den notwendigen Lebensunterhalt zu verdienen. Häufig sind auch beide Eltern darum bemüht. Kinder kommen in dieser Situation sehr oft viel zu kurz. Sie werden bestenfalls von einem anderen Familienmitglied betreut, in vielen Fällen aber auch vollkommen sich selbst überlassen. Gewalt von Seiten der Eltern oder sonstigen Angehörigen gehört für diese Kinder allzu oft zum Alltag. Sehr oft werden die Kinder auch Opfer von sexueller Gewalt. Im Falle einer Anzeige werden die Kinder im Allgemeinen aus den Familien geholt und vom Jugendgericht an ein Kinderheim überwiesen.

Eines dieser Kinderheime ist Casa Verde unter dem Dach der Hilfsorganisation BLANSAL, gegründet von dem Lahrer Volker Nack. In vielen Fällen kommen die Kinder in einem Zustand der Unterernährung bis extremen Unterernährung an. Ein großer Teil hat vorher kaum oder gar keine Schulbildung erfahren.

Die Kinder durchlaufen während ihrer Zeit im Heim drei Stufen, während der sie in das Programm von Casa Verde eingebunden sind.

In Stufe 1, dem Ankommen, sind sie meistens sehr verängstigt, bisweilen extrem wütend und frustriert mit einem sehr geringen Selbstwertgefühl. Gleichzeitig haben sie aber große Erwartungen. In dieser Situation ist psychische Stabilisierung wichtig.

Es wird versucht, ein möglichst familiäres Umfeld zu schaffen - Casa Verde wird zur Ersatzfamilie. Zum weiteren Programm gehören der Schutz vor weiterer Gewalt und Verlassenheit und die Garantie von Ernährung, Gesundheit und Bildung.

Stufe 2 ist dann das Hineinwachsen in Casa Verde. Die Kinder erleben sich selbst im Vorleben ihrer Tutoren und im Zusammenleben mit den anderen Kindern als wertvoll. Sie erleben sich als selbstwirksam, sie erleben, dass sie Ziele haben können und ihre Zukunft aktiv gestalten können.

Stufe 3 wird dann schließlich erreicht, wenn die Herangewachsenen mit 18 Jahren aus Casa Verde ausscheiden und sich verselbstständigen. Im Idealfall haben sie Frieden geschlossen mit ihrer Vergangenheit evtl. auch mit ihren Familien und der Gesellschaft. Vielleicht können sie sogar verzeihen.

Ungefähr 90 % der ehemaligen Kinder der Casa Verde kommen auch nach ihrem Ausscheiden immer wieder gerne zurück für einen Besuch und werden so zum Vorbild für ihre jüngeren Casa Verde Geschwister.

Auf Nachfrage einer Besucherin konnten José Luis Rodríguez und Volker Nack bestätigen, dass alle der ehemaligen Schützlinge der Casa Verde in einem Arbeitsverhältnis sind und somit ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können. Einige haben inzwischen sogar eigene Familien gegründet und kümmern sich vorbildlich um ihre Kinder.

Was denn die Gründe wären für diese enormen Missstände im Land war eine weitere Frage an Señor Rodríguez. Dieser nannte hier vor allem das mangelhafte Bildungssystem. Geringe Bildung ist immer ein extrem hohes Risiko für Armut. Außerdem gibt es im Land erschreckend hohe Indikatoren für Gewalt, laut einer Statistik des peruanischen Gesundheitsamtes in über 74 % der peruanischen Haushalte. Dazu kommt, dass sich die peruanische Justiz schwer tut mit der Problematik familiärer und sexueller Gewalt. Das hat nicht nur mit einer mangelnden Gesetzgebung zu tun, sondern auch mit der Umsetzung der Gesetze. Das hat wiederum oft mit Willkür und vor allem Korruption zu tun. Recht ist in Peru käuflich. Dazu kommt, dass in weiten Teilen der Bevölkerung bislang ein Bewusstsein für die Problematik fehlte. Allzu oft wird es nicht als strafwürdig angesehen Kinder zu verlassen oder sie sexuell zu missbrauchen. Hier setzt die Arbeit des Zentrums zur Prävention vor sexueller Gewalt (CPAS) an, fügte an dieser Stelle Volker Nack ein. Das CPAS wurde ebenfalls von Volker Nack und seiner Frau Dessy gegründet, ist also ebenfalls unter den Dach von BLANSAL und arbeitet inzwischen seit mehreren Jahren sehr erfolgreich. CPAS bringt viele Fälle sexuellen Missbrauchs zur Anzeige und setzt auf breite Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit. Neben anderen Projekten wurden in den vergangenen zwei Jahren Aufklärungskurse an 20 Schulen in Arequipa durchgeführt. Allein hier kam es zu 350 Anzeigen wegen sexuellem Missbrauch und zu ca. 1000 Anzeigen wegen familiärer Gewalt (das ist kein Schreibfehler, hier steht tatsächlich 1000).

Auf die Frage der Finanzierung reagierte Volker Nack mit einem Schulterzucken. BLANSAL Casa Verde finanziert sich fast ausschließlich über Spenden aus dem Ausland. Von Seiten des peruanischen Staates gibt es bislang keinerlei Unterstützung. Eine Planungssicherheit für seine Arbeit kann es so natürlich nie geben. Er weiß im Januar nicht, ob er im Juli noch Geld hat um die Kinder zu ernähren oder um sein pädagogisches und psychologisches Personal zu bezahlen. José Luis bestätigte an dieser Stelle, dass man eine große Portion Idealismus braucht, um trotz vergleichsweise geringer Bezahlung für Casa Verde zu arbeiten – aber er tut es gerne und mit Überzeugung.





Bericht zur Infoveranstaltung Casa Verde in Lahr