(Über-)Leben auf der Flucht: Benno Fürmann zum Thema Flüchtlinge

Simone Hahn
04.11.2013

Der deutsche Schauspieler Benno Fürmann engagiert sich seit Jahren für Flüchtlinge. Im Rahmen unserer Kampagne “(Über-)Leben auf der Flucht” hat er uns in einem Interview Einblicke in seine Erfahrungen in UN-Flüchtlingscamps in Südsudan sowie einer Berliner Erstaufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge gewährt. Außerdem erzählte er uns, welche Rolle Europa bei der Flüchtlingsfrage seiner Meinung nach übernehmen sollte.

betterplace.org : Wie bist Du eigentlich dazu gekommen, Dich mit dem Thema Flüchtlinge zu beschäftigen?

Ich bin langjähriger Unterstützer von Amnesty. So habe ich immer wieder von haarsträubenden Schicksalen erfahren und habe mich mit Amnesty für die Aufnahme von Flüchtlingen eingesetzt. Wir tun viel zu wenig als Nation, bleiben weit hinter unseren Möglichkeiten zurück. So unglaublich viele Menschen sind auf der Flucht, hatten einfach Pech bei der Geburtslotterie und ich sehe es als unsere Verpflichtung, zu helfen wenn wir können.

betterplace.org : Du engagierst Dich seit Jahren aktiv für Flüchtlinge und hast letztes Jahr unter anderem die UNHCR-Flüchtlingslager in Südsudan besucht. Wie würdest Du die Situation vor Ort beschreiben?

Benno FürmannIch hatte einen Heidenrespekt vor der Reise. All die Armut, das Leid, das kann einen erschlagen. Und ich habe in der Tat Unfassbares gesehen und gehört. Aber die Menschen waren glücklich, dem Gemetzel entkommen zu sein. Eine Pause des Krieges erleben zu können. Das UNHCR leistet tolle Arbeit unter Hochdruck. Es gibt dort keinerlei Infrastruktur, keine Strassen, nur Savanne und Sumpf. Das macht die Versorgung mit Nahrung und Medizin sehr schwierig. Wasser ist ein Thema, Krankheiten, Entkräftung und Unterernährung bei den Kindern… Alle, die ich gesprochen habe, wollten wieder zurück in ihre Heimat. Ein Ende des Konflikts ist aber nicht in Sicht.

betterplace.org : Du hast auch schon die Erstaufnahme-Einrichtung für Asylbewerber in Berlin-Spandau besucht. Im Rahmen dessen hast Du angemerkt, dass in Deutschland mehr vom Schutz VOR Flüchtlingen als vom Schutz VON Flüchtlingen gesprochen würde. Was genau meinst Du damit?

Niemand ist freiwillig Flüchtling. Flüchtlinge haben unglaubliche Odysseen hinter sich. Ich habe Menschen gesprochen, die an einem Tag drei Kinder und die Frau verloren haben. Und dann schaffen sie es irgendwie unter Lebensgefahr zu uns und prallen an den Grenzen ab, werden wieder hinaus aufs Meer gezogen oder über die Grenzen in die Türkei gebracht. Das ist EU-Politik. Und diejenigen, die es tatsächlich nach Deutschland schaffen, werden behandelt wie Bittsteller, wie Kriminelle. Und diese Sichtweise stört mich- es geht mehr um den Schutz vor als den Schutz von Flüchtlingen. Die Zäune werden immer höher. Wenn diese Menschen nicht gleich wieder zurück geschickt werden, werden sie dann meist unsichtbar für den Rest der Welt in entlegenen Ecken untergebracht und haben keine Möglichkeit der Teilhabe am normalen Leben. Sind da, aber nicht wirklich. Orte, wie die Erstaufnahme in der Mortardstraße, sind unwirkliche Orte, luftleerer Raum, Vakuum…

betterplace.org : Jeden Tag erreichen uns schreckliche Bilder von Flüchtlingstragödien wie aktuell vor Lampedusa, wo leider immer wieder Flüchtlinge bei dem Versuch, das europäische Festland zu erreichen, ertrinken. Wie schätzt Du die europäische Flüchtlingspolitik ein?

BennoSudanWir tun nicht genug. Wir müssen als EU, als Deutschland, Länder wie Griechenland und Italien bei der Flüchtlingsthematik entlasten. Griechenland hat kein funktionierendes Asylsystem. Da werden 20 Anträge pro Woche angenommen, ob sie dann auch bearbeitet werden, ist eine andere Frage. Da sitzen Menschen wie Kriminelle über Jahre im Knast. Flüchtlinge, die über diese Länder einreisen um Schutz zu suchen müssen auf die übrigen EU-Länder verteilt werden, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ein faires Asylverfahren zu bekommen. Wir müssen legale Einwanderungswege schaffen, Fluchtwege für Menschen offen halten, anstatt die EU-Aussengrenzen zur Lebensgefahr zu machen, damit Menschen nicht weiter sterben müssen bei dem Versuch, zu uns zu kommen. Offiziell 1.500 Tote allein im Mittelmeer in einem Jahr. Dunkelziffer unbekannt. Jeder Mensch muss das Recht haben, seine Geschichte zu erzählen. Und dann wird entschieden. Jeder Mensch hat das Recht, in einem Land seiner Wahl Schutz zu suchen, steht in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die wir nach dem Grauen des zweiten Weltkriegs mitunterzeichnet haben. Von dieser Prämisse sind wir weit entfernt.


Auch auf Facebook und Twitter (#aufderflucht) wird uns das Thema Flüchtlinge in den kommenden Wochen begleiten.

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