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12 Tage und große Veränderungen...

G. Müller
G. Müller wrote on 15-01-2014

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich hoffe, Sie sind alle gut ins Neue Jahr gekommen!

Hier kommt eine weitere Fortsetzung unseres Berichts ueber die 'Glückstage' im vergangenen Sommer. Heute geht es um die Veränderungen, die wir im Laufe der 12 Tage bei einzelnen Kindern feststellen konnten.

Herzliche Grüße

Gabriele Müller

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Beispiele von Veränderungsprozessen, die wir bei einzelnen Kindern wahrnahmen:

Der fünfjährige A. , der sich in den ersten Tagen kaum an der Gruppenarbeit beteiligen wollte und zu Anfang dem Meer nicht einmal nahe kommen wollte, hatte sich allmählich mehr und mehr an der Gruppenarbeit beteiligt – zuerst an den Erwärmungsspielen, dann auch an kreativen Aktivitäten wie Malen; besonders eines der Mädchen hatte ihm geholfen, allmählich seinen Platz in der Gruppe zu finden, indem sie ihn immer wieder in Aktivitäten mit einbezog. A. hatte auch am Strand große Fortschritte gemacht. Täglich bemühte ich (Amina S.) mich um ihn, ermutigte ihn, ließ ihn jeden Tag ein wenig mehr ausprobieren, bis er am 5. Tag im „gaanz flachen Wasser“ – ausgerüstet mit Schwimmflügeln – bäuchlings ein wenig herumplanschte. Nach weiteren drei Tagen und Bemühungen, war er bereit, mit mir ins etwas tiefere Wasser zu kommen. Einen Tag später schaffte er es mit meiner Unterstützung noch weiter ins ‚tiefe Wasser’ und er konnte es sogar genießen. Danach rannte er voller Stolz zu seiner Mutter, der er von seinem großen Erfolg berichtete. Für A. bewirkte die Überwindung seiner Angst einen wahren Schub an Selbstbewusstsein. Er wurde in der Gruppe viel aktiver und übernahm schließlich auch eine Rolle und sogar einen ‚Soloauftritt’ bei der Vorstellung am letzten Abend, wo er mit kräftiger Stimme sein Lied sang – und einen Riesenapplaus erntete! Die Gruppenarbeit mit den Müttern bewirkte, dass A’s Mutter ihn etwas mehr losließ; dies und das Zusammensein mit den anderen Kindern halfen ihm, etwas eigenständiger zu werden.

Sowohl A. als auch seine Mutter werden weiter zu Einzel- und Gruppenterminen ins SEKA-Haus kommen.

Die sechsjährige S. befreundete sich eng mit H., auf die sie jedoch gleichzeitig sehr eifersüchtig war. H.’s Beliebtheit stürzte S. immer wieder in Krisen mit heftigen Wutausbrüchen, Tränen und Trotzanfällen. Solche Situationen konnten durch die kleinsten Kleinigkeiten ausgelöst werden. Nach einer dieser Situationen am Strand fragte ich (Amina S.) sie, ob sie ein wenig mit mir baden wolle, dem stimmte sie freudig zu; Ich nutzte die Gelegenheit zu einem Gespräch, durch das ich erfuhr, warum S. immer überall die ‚Erste’ sein musste: „Damit ich gesehen werde“, sagte sie mir. Im weiteren Gespräch stellte sich heraus, dass hinter ihrem verzweifelten Ehrgeiz und Wunsch im Mittelpunkt zu stehen, eine große Verunsicherung in der Beziehung zu ihrem Vater steht. Dessen überwiegend unzuverlässiges Verhalten und bestimmte Kommentare bewirkten in der Sechsjährigen eine starke Verunsicherung. Allerdings erkannte S. in unserem Gespräch auch, dass sie sich viele schöne Situationen durch ihr Verhalten selbst kaputt macht. Nach unserem Gespräch saß sie eine Weile alleine am Strand und dachte nach. Dann ging sie zu ihrer Freundin H. In den nächsten Tagen gab es keine so massiven Krisen mehr. Auch S. und ihre Mutter, die noch immer unter den Gewalterfahrungen in ihrer Ehe leidet, werden weiter ins SEKA-Haus zur Therapie kommen.

Die zwölfjährige B. sagte uns beim Abschied: „Das war das schönste Erlebnis in meinem Leben! Danke! Danke, dass ihr mich eingeladen habt!“ und sie umarmte uns ganz fest und unter Tränen.

Bei ihr war zu spüren, dass sie jeden Augenblick genoss. Jede Übung interessierte sie, bei jedem Thema beteiligte sie sich aktiv. Mehr und mehr spürte sie, dass sie hier wirklich genau so viel Raum und die gleichen Rechte hatte, wie jedes andere Kind. Je sicherer sie war, desto stärker, fröhlicher, entspannter und selbstbewusster wurde sie. Sie schloss sich eng mit den beiden anderen Mädchen zusammen, verstand sich aber mit allen Kindern gut. In einem Einzelgespräch erzählte sie mir (Alema B.), wie viel es ihr bedeute, dass die anderen Kinder sie akzeptierten und mochten. – Sie hatte so viel Ablehnung, Ausgrenzung und Demütigungen erlebt. Sie liebte es auch sehr, mit uns Therapeutinnen gemeinsam zu schwimmen und war sehr ehrgeizig, Schwimmen zu lernen – ohne Schwimmflügel. An den letzten Tagen gelang ihr dies, was sie sehr glücklich und selbstbewusst machte. Im Verhältnis zu ihrer Mutter hatten wir den Eindruck, dass eher sie sich um die Mutter kümmerte als umgekehrt. In Gesprächen mit der Mutter machten wir diese darauf aufmerksam. Wir freuen uns, dass die Mutter sich entschieden hat, weiter zu Einzelterminen ins SEKA-Haus zu kommen. B. will auf jeden Fall weiter an SEKA-Aktivitäten teilnehmen. Ganz besonders gerne an einer Mädchengruppe – zusammen mit ihren beiden neuen Freundinnen.

Für den knapp 10jährigen D., der zu Anfang Probleme hatte, sich in die Gruppe zu integrieren, der sich die ersten Tage eher zurückgezogen hatte, brachte das Thema ‚Emotionen’ eine grundlegende Veränderung. Dieses Thema interessierte ihn offensichtlich; er begann sich mehr und mehr aktiv an der Gruppenarbeit zu beteiligen. Insbesondere beim Thema ‚Wut’ zeigte sich, dass er große Wut hatte und sich gleichzeitig hilflos fühlte. Sehr anschaulich beschrieb er, wie und wo er die Wut in seinem Körper fühle und was er dann tue. Gerne nutzte er die Übung ‚Wut ablassen’, sagte allerdings nicht, auf wen er solche Wut habe. Auf dem Spaziergang am Abend erzählte er mir (Alema B.), dass er oft so wütend auf seine Eltern, besonders auf seinen Vater sei. Er erzählte mir, wie oft die Eltern stritten, der Vater dann trinke und „dann wird es erst richtig schlimm!“ Auf meine Fragen, bestätigte er, dass der Vater sehr aggressiv werde, sie alle beschimpfe, Dinge zertrümmere und ein paar Mal auch die Mutter geschlagen habe. Er und seine ältere Schwester flüchteten dann in großer Angst aus dem Haus, warteten im Garten, weil sie Angst um die Mutter hätten. D. äußere, dass er seinen Vater liebe, wenn er nüchtern sei, aber dass es ihm lieber wäre, allein mit Mutter und Schwester zu leben – „vielleicht bei den Großeltern…“ Für D. war es sehr wichtig, dass wir in der Kindergruppe zum Thema Gewalt arbeiteten. Es half ihm, von anderen Kindern zu hören, dass auch sie Gewalt erlebt haben (erleben).

D. half es offensichtlich, dass er über seine Situation mit uns sprechen konnte und auch, dass er mit so einer Erfahrung nicht alleine ist. Er wurde ein aktives Mitglied der Kindergruppe und schloss eine enge Freundschaft mit dem neunjährigen K. Die beiden wurden geradezu unzertrennlich. Die Aktivitäten am Strand und im Meer halfen D. zusätzlich, sich zu entspannen und mehr Selbstwertgefühl zu entwickeln. Mit unserer Unterstützung lernte er rasch schwimmen und auch tauchen, darüber war er stolz und glücklich. Ich führte auch verschiedene Gespräche mit D.’s Mutter, die sich entschloss, in Gorazde zu Einzelterminen zu Kollegin Amela zu kommen, da sie sich durch die Gruppenarbeit bewusst geworden war „dass es so nicht weitergehen kann!“ In einem dieser Gespräche erzählte mir die Mutter auch vom Bettnässen ihres Sohnes. Wir verabredeten, dass ich in Gorazde mit D. weiter arbeiten würde.

Bei der knapp dreizehnjährige F., die zu Anfang eher verschlossen war und sich den anderen Kindern gegenüber teilweise schnippisch und etwas arrogant verhielt, zeigte sich, dass hinter dieser ‚Fassade’ Unsicherheit und Angst steckte. Auch für sie war das Thema ‚Emotionen’ offensichtlich von großer Bedeutung. Insbesondere bei den Emotionen ‚Angst’ und Wut’ hörte sie sehr aufmerksam zu und wirkte am Ende der Gruppenstunden sehr nachdenklich. An der Übung ‚Wut ablassen’ wollte sie sich jedoch nicht beteiligen. Nach dieser Gruppenstunde sprach ich (Amina S.) F. an und fragte sie, ob sie mit mir alleine reden wolle, da ich den Eindruck habe, dass sie das Thema sehr beschäftige. In diesem Gespräch erzählte sie mir dann von der Gewalt durch den Vater, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter jahrelang erlebt hatte. Obwohl die Scheidung der Eltern bereits drei Jahre zurück lag, litt sie noch immer an den Erinnerungen und an Alpträumen darüber. Sie hatte noch immer große Angst vor dem Vater, zu dem sie keinen Kontakt wollte. Aber auch mit der Mutter habe sie Probleme. Sie könne ihr nichts recht machen. Sie habe eine Riesenwut auf die Mutter. Manchmal würde sie am liebsten davon laufen…. Wir sprachen lange darüber, wie sie mit ihrer Situation besser klarkommen könne: ob sie mit der Mutter in Ruhe darüber reden könne oder ob wir gemeinsam mit der Mutter reden sollten. Zu diesem Zeitpunkt wollte F. das nicht. Aber sie fühlte sich erleichtert, weil sie mit mir gesprochen hatte. Noch mehrfach führten wir bei unterschiedlichen Gelegenheiten Einzelgespräche. F. begann, sich mehr in die Gruppenarbeit einzubringen – und sie freundete sich mit den beiden anderen gleichaltrigen Mädchen an. Offensichtlich konnte sie mit beiden über ihre Probleme Themen reden. Im Laufe des Erholungsaufenthalts wurde sie deutlich entspannter, sorgloser und fröhlicher. Sie wurde eine richtige ‚Wasserratte’ – genau wie ihre Freundinnen und sie lernte sehr gut schwimmen.

F.’s Mutter entschied sich durch die Teilnahme an der Gruppenarbeit der Mütter, weiter zu Gesprächen ins SEKA-Haus zu kommen. Sie war sich bewusst geworden, dass sie Hilfe bei der Lösung ihrer Probleme und der Verarbeitung ihrer Gewalterfahrungen brauchte. F. will mit ihren Freundinnen an einer der Mädchentherapiegruppen im SEKA-Haus teilnehmen, die im September wieder neu starten werden.

Die fünfeinhalbjährige H. blühte während des Erholungsaufenthalts richtig auf. Sie liebte das Meer, verlor sehr rasch ihre anfängliche Angst, schloss rasch Freundschaft mit allen Kindern, besonders mit S. Auch bei der Gruppenarbeit beteiligte sie sich aktiv – entsprechend ihrem Alter. Es zeigte sich immer mehr, wie kreativ und kommunikativ sie war. Sie war mit ihrer Mutter sehr verbunden – über den Vater sprach sie nicht. Meine (Amina S.) Frage nach ihm ignorierte sie und ging zu einem anderen Thema über. Es war deutlich, dass H. große Angst vor dem Vater hatte. Aus ihrem Bild zum Thema ‚Glück’ ging sehr klar hervor, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte als mit der Mutter weiter im Haus der Großeltern zu leben. Die Mutter wird weiterhin zu Alema B. zu Einzelgesprächen kommen.

Leider erkrankte H. gegen Ende des Erholungsaufenthalts und musste wegen Verdacht auf Blinddarmentzündung mit der Mutter ins Krankenhaus nach Mostar. Glücklicherweise handelte es sich aber nur um einen Virus und die Beiden konnten die Heimreise wieder gemeinsam mit der Gruppe antreten.


Im naechsten Blog werden wir über die Arbeit mit den Müttern berichten..

 










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