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Erdbeben Türkei: Feldküche statt Schule

A. Kurek
A. Kurek schrieb am 16.12.2011

Von unserer Infodelegierten Martina Fischer

Mehmet Akif Cisek schrubbt Töpfe und Pfannen wie ein Küchenprofi. Ich entdecke ihn in der Feldküche, gleich bei meinem ersten Besuch im Zeltlager in Ercis. Drei Tage nach dem schweren Erdbeben in der Provinz Van hat der Zwölfjährige sich beim Türkischen Roten Halbmond freiwillig zum Einsatz gemeldet.

Mir fällt auf, wie unbefangen der Junge ist, trotz der traumatischen Ereignisse um ihn herum. „Kinder haben es meist leichter,“ sagt DRK-Delegierter Claus Muchow, mit dem ich in die Osttürkei geflogen bin, um Zelte, Decken und Heizöfen für die vom Erdbeben betroffenen Menschen zu überbringen. Er spricht aus Erfahrung, war bei vielen großen DRK-Einsätzen, auch in China und Haiti, dabei. „Sie sind die ersten, die nach einer Katastrophe wieder nach vorne blicken.“

Mehmet hilft jeden Tag mehrere Stunden in der Feldküche mit. “Die Schule fällt im Moment sowieso aus. Das finde ich für eine Weile auch nicht so schlimm.“ Er lacht. Außerdem gefalle ihm seine Aufgabe als freiwilliger Helfer richtig gut. “Es ist immer etwas los. Und man trifft hier viele neue Freunde.”

Die weiße Rotkreuz-Zeltstadt im Sportstadium am Ufer des Vansees ist Zufluchtsort und kommunaler Treffpunkt zugleich. Ich bin beeindruckt davon, mit welchen praktischen Mitteln es den freiwilligen Helfern des Türkischen Roten Halbmond hier gelingt, auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen. Ladestationen fürs Handy, um mit Verwandten und Freunden Kontakt halten zu können. Überall geheizte Stände, an denen dunkler, starker Tee ausgeschenkt wird. In einer mobilen Bäckerei am Rande der Zeltstadt werden täglich 6000 Laibe frischen Brotes produziert und an die Menschen verteilt.

Pfannen und Töpfe sind blitzblank. Der Küchendienst ist für heute beendet. Mehmet will noch mehr tun. Er hilft den Frauen, ihre schweren Plastiktüten zur Wäscherei zu tragen, die ein türkischer Elektrogerätehersteller aufgebaut hat. Seiner eigenen Familie gehe es gut, erzählt mir der Junge. Eltern und Geschwister haben das Erdbeben unbeschadet überstanden.

Und weil ein bisschen Ablenkung trotz allem auch sein muß, singt er mit den Kindern, die ihr Zuhause verloren haben, Karaoke. Auf einem Lkw-Anhänger, zu türkischer Discomusik, während sich am späten Nachmittag die Dunkelheit über die Zeltstadt senkt. Ganz Profi, auch im Scheinwerferlicht. Wir schauen zu und klatschen begeistert. Am Abend wird Mehmet todmüde in seinen Schlafsack fallen. Nach einem Tag, an dem er viel gelernt hat. Auch ohne Schule. Und ich viel von ihm.