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235. Die Aufführung. 22. Juli 2017. Kirchl Obertsrot, Programmreihe Festspielhäusel. "A Glimpse of the Past" mit Musica Antiqua, M. Ariel Friedmann und Ad Hoc Flötenensemble (Irene Jung, Silvia Lang, Sabine Meixner und Gudrun Rademacher)

Eckehard A. H.
Eckehard A. H. schrieb am 25.07.2017

Es waren eigentlich drei Konzerte in einem. „A Glimpse oft he Past“ (ein kurzer Blick von der Vergangenheit) umfasste rund achthundert Jahre und aus jedem Jahrhundert kam eine Musik zum Vorschein. Den ältesten Treffer landete „Musica Antiqua“ bei Walther von der Vogelweide (1172-1230) mit dem erzieherischen Lied „Chindeszuht“, in mittelhochdeutsch gesungen von Irene Jung und Daniel Klaiber, begleitet von historischen Instrumenten. Man hätte ganz gern mehr darüber erfahren, was außer „niemand kann mit Streichen Kindezucht erreichen“ Deutschlands erster bekannter Dichter seinen Zeitgenossen zu sagen hatte. Das 13. und 14. Jahrhundert stand mit einem anonymen Totentanz im Zeichen von Pest und Missernte (nicht wie Moderator Eckehard Hilf anmerkte von „Miss Ernte“), wo der Tod die tanzenden Herren und Fürsten mit einem Xylophon hinter sich herzieht. Im 15. Jahrhundert feierte man mit „Deo Gracias Anglia“ (England dankt Gott) den Sieg der englischen Bogenschützen (hundert Tote) über ein französisches Ritterheer (über 5000 Tote) am 25. Oktober 1415 bei Azincourt, Pas de Calais. Das 16. Jh. ließ sehr friedvolle Werke des Musikverlegers Petrus Phalesius aus Flandern erklingen, der in seiner Firma schon die Kultur des vereinigten Europa voraus gesehen haben muss: Drei Tänze seiner Sammlung aus Ferrara erklangen beschwingt und in sehr unterschiedlicher Rhythmik. Auch die sephardische Musik, die sich von den aus Spanien vertriebenen Juden in ihrem von dort mitgebrachten „Ladino“ über Südosteuropa und den Maghreb (Nordafrika) verbreitet hatte, erklang in der Originalsprache mit dem bekannten Lied „Cuando el Rey Nimrod“. Statt der 16 Strophen wurde nur die erste, zweimal gesungen und kunstvolles Zwischenspiel mit Improvisation auf Obertonflöte, einem rumänischen Caval, gespielt von Irene Jung, und anderen Instrumenten geboten. Irische, bretonische, schottische und schwedische („Herr Mannelig“) Folklore brachten herzlichen Beifall und am Ende der Spielzeit auch eine Zugabe in dieser Stilart hervor. Das letzte „historisch“ belegbare Stück war wieder einer entscheidenden Schlacht zu verdanken. Am 16. April 1746 besiegte die britische Armee im Culloden Moor bei Inverness ein schottisches Heer, das den Stuart Charles auf den Thron gebracht hätte. Doch es blieb bei der Flucht des „aufständischen“ Prätendenten und dem melancholisch trotzigen „Skye Boat Song“, der im Anfang klingt wie‘s „Ännchen von Tharau“.

Den weiteren Teil der ineinander verwobenen Dreifachmusik bestritt der aus Grötzingen bei Karlsruhe hergereiste Michael Ariel Friedmann. Er zeigte sich als echter Barde, spielte gekonnt auf einer „keltischen Harfe“, gelegentlich dazu auf der zweiten Hand Flöten blasend, beispielsweise eine irische Shaw Whistle, wodurch sein „Sehnender Faun“ Gehör fand. Mit „Wie schön blüht uns der Maien“ entführte er ins 16. Jahrhundert, doch vorwiegend kamen Gedichte von Eichendorff und eigene Verse in der von ihm romantisch gewählten Tonsprache zu Gehör.   

Den dritten Block stellte das Ensemble „Ad Hoc“. Im Stillen dem Gedächtnis ihrer dieses Jahr verstorbenen Mutter, der Sängerin und Musikpädagogin Roswitha Jung-Hoesch  gewidmet, spielte Irene Jung mit Sabine Meixner, Silvia Lang und Gudrun Rademacher in unterschiedlichen Besetzungen Stücke von Boismortier und Telemann (18. Jahrhundert), zu vier Blockflöten gesetzt aus der Komposition des blinden Ragtime-Königs Scott Joplin (19. Jahrhundert) und eine „Klostersuite“ des 1938 geborenen Allan Rosenheck, die allerdings wenig klösterlich Gewohntes, dafür umso mehr Raffinesse und große Spannweiten, interessante Pausen und treibende Rhythmik aufwies. Dies Spielweise der Vier großartig und professionell!

Mit dieser zeitlich aufwendigen Kost durfte das handverlesene Publikum zufrieden sein und ging sichtlich beeindruckt und beglückt einem friedlich erfüllten Sommerabend entgegen, in den Erika Dettmann mit einer herzlichen Ansprache an Künstler und Veranstalter mit einem Blumenstrauß, überreicht von Gabi Pfirrmann, entließ.

 


Die Fotos kommen später