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209. Die zweite Serenade 2016 - Das Jugendorchester Baden-Baden in der Programmreihe Festspielhäusel im Kirchl Obertsrot am 3. Juli

Eckehard A. H.
Eckehard A. H. schrieb am 05.07.2016

Mit Annabel Hauk hat Karl Nagel eine weitere Entdeckung erfolgreich für den Auftritt seines Jugendorchesters gewonnen. Nach dem bravourösen Spiel von Lisa Klotz auf der Bratsche am 29. Mai  (wir berichteten) war es diesmal eine bereits vielfach preisgekrönte und konzerterfahrene Studentin der Kronberger Cellouniversität, die einen geradezu überirdisch klingenden und auch im Äußeren harmonisch zum Spiel passenden Stil ins Kirchl brachte. Das Andante Cantabile von Tschaikowski erklang hier aus dem kleinen Streichorchester samtweich, gedämpft, auch im Soloinstrument, was die wehmütigen und äußerst melodischen Klänge russischen Liedgutes des früh verstorbenen Komponisten noch eindringlicher werden ließ. Es ist ein Glücksfall, dass diese Weisen in dieser zarten Führung auf uns gekommen sind. Nach dem von Jannika Fritz atemsicher und fingerfertig auf einer Spezialoboe für Englischhorn geblasenen Adagio von Mozart, KV 580, erklang das „Muss für jeden Cellisten“, das Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur (Hob. 7 B, 1), das Annabel Hauk wieder auswendig zelebrierte. Ihr bis zu den Hüften reichendes Haar umspielte die vielfältigen Bewegungen der freien Schulter, während sie meistens in die Richtung ihrer unsichtbaren Muse, den Mächten des Schönen, seitlich hinauf blickte, als hörte sie genau im Voraus, wie die Musik auf ihrem Instrument zu klingen habe, bevor sie diese in ihr präzise temperiertes Saitenspiel ohne Fehl und Tadel übertrug. Selbstverständlich kam die souveräne Beherrschung und lebendige Führung ihres Strichs dem Orchester zugute, das sich wieder einmal quasi professionell den hohen Ansprüchen dieser Komposition anpasste und am Ende Jubelstürme des begeisterungsfähigen Publikums erntete. Dieses oft gespielte Stück, das – wie Karl Nagel in seinen immer unterhaltsamen und bildungsträchtigen Kommentaren zu verstehen gab – verschollen war und erst Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wieder gefunden wurde, bekommt in der Performance von Hauk eine unvergleichliche Note. Ein Grund dafür könnte in ihrem einfühlsamen Vibrato liegen, das den entscheidenden Ton wie mit einem Abschiedskuss ausleitet und eine feine Brücke von erkennbaren Merkmalen durch das Gewebe des ganzen Konzertes webt. Auch fehlt ihrem ausdrucksvollen Spiel jegliches Kokettieren mit Publikum oder sonstigen Reizen – allein dem Einsatz des Dirigenten und der Musik gilt ihre Aufmerksamkeit verleiht ihr selbstlose Grazie und Größe.

Von schönem Klang war auch das „Englischhorn“, die große Oboe der Annika Fritz, die dieses Instrument studiert und ausgesprochen schön zur Geltung bringt, wie Nagel anerkennend anmerkte und mit intensiv zu hören war. Mit ihrem eigentlichen Instrument, der Oboe, wirkte sie zusammen mit Jürgen Haller, Flöte, bei den Lirenkonzerten Drei und Fünf von Josef Haydn zu Anfang und Ende des Konzerts. Das Duett der beiden Bläser imitierte gekonnt die ursprünglich für zwei Orgelleiern – Lire organizzate – von Haydn geschriebenen Konzerte. Doch dieses barocke Instrument war schon damals rar und existiert nur in wenigen Nachbildungen. Die Imitation durch die dargebotenen Solostimmen gelang überzeugend, wenn auch die Akustik aus der Apsis den Solisten ein etwas zu durchdringendes Gewicht verlieh. Jürgen Haller übt im Südwestfunk Mainz seine Rolle aus, während Jannika Fritz aus Gaggenau stammt und hier – auch im Kirchl mit dem Jugendorchester – bereits einige Bekanntheit errungen hat. Die Auswahl der Stücke mit einem Übergewicht bei Haydn kam dem sommerlichen, aber unberechenbaren Wetter dieses Jahres sehr entgegen. Karl Nagel tritt nächstes Mal am 3. September wieder mit seiner Kammerformation im Kirchl auf, das nächste Konzert aber wird am 17. Juli, 18:30 Uhr – wie berichtet – die Uraufführung der Weidenbachsonate von Michael Lundt, Geige und Klavier durch die Brüder Sonderegger in  Anwesenheit des Komponisten enthalten, eingebettet in eine Darbietung lyrischer Liebesduette, gesungen von Anja Schlenker-Rapke, Mezzosopran, Ernst Rapke, Bariton, begleitet von Holger Becker am kleinen Flügel, der bis zum 21. August zu hören und zu sehen sein wird. Veranstalter Eckehard Hilf wünschte sich sehr, dass durch den spendenbasierten Eintritt mehr Jugendliche, gerade auch in den Ferien, die Chance nutzen, am Entstehen und Erzeugen von hochklassiger Musik teilzuhaben, und warb beim herzlich applaudierenden Publikum für Weitergabe dieser Botschaft, auch durch Orchestermitglieder Freunde mitzubringen, wozu das Platzsponsoring des Vereins Kultur im Kirchl Obertsrot als Jugendförderung schließlich eingerichtet worden sei.


Hochklassige Musik am Ort des Entstehens hören und sehen