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Deutschlands größte Spendenplattform

DEEPWAVE Jahresrückblick 2020

Anna Groß
Anna Groß schrieb am 01.02.2021

Als wir uns am letzten Tag des Jahres zusammengesetzt haben, um auf das Jahr 2020 zurückzuschauen, waren wir überrascht, wie viel Gutes uns begegnet ist, wie viel wir erreicht haben  und wie viel Unterstützung uns getragen hat - in diesem für alle so schweren Jahr.

Die Pandemie hat uns neben dem veränderten Blick auf die Welt auch Zeit gegeben, einen Schritt zurückzutreten, Entscheidungen zu treffen, zu sehen, was wichtig ist, und was nicht. Das technisch Wichtigste: uns gibt es noch. Andere NGOs unserer Größenordnung hatten dieses Glück nicht. Auch bei uns sind alle Veranstaltungen, durch die wir normalerweise Spenden generieren, ausgefallen oder ins nächste Jahr verschoben.

Dass wir 2020 überstanden haben und weitermachen können, verdanken wir unter anderem unserer erfolgreichen Spendenkampagne zum Giving Tuesday im Dezember 2019, die uns gezeigt hat, wie sehr unsere Arbeit anerkannt und geschätzt ist und wie viel Vertrauen in unsere Fähigkeiten gesetzt wird, im Meeresschutz etwas zu erreichen.



Auch wenn dieser Tag in Deutschland noch nicht so bekannt ist, ist er weltweit der Tag mit dem höchsten Spendenaufkommen, das Remedium nach Black Friday und Cyber Monday. Das Schöne ist, dass alle Organisationen, die sich beteiligen, gemeinsam an diesem Tag daran erinnern können, dass wir alle im selben Boot sitzen und nur wenn wir teilen unsere Fahrt fortsetzen können, ohne kieloben zu gehen.

Dank dieser Kampagne haben wir unser jährliches Spendenvolumen verdoppeln können und haben sie daher zum diesjährigen Giving Tuesday am 1.Dezember wiederholt, trotz Corona mit großem Erfolg, dank EUCH!

Dass es uns noch gibt, war die Voraussetzung für das für uns Wichtigste in den letzten Monaten: unser erfolgreicher Spendenaufruf für die Coronasoforthilfe.

 
© OMCAR

Die Fischerfamilien unseres Mangrovenaufzuchtprogramms MANGREEN im Süden Tamil Nadus waren durch den verordneten Lockdown von ihrer Nahrungsgrundlage abgeschnitten und standen vor dem Verhungern. Als unser 1. Vorsitzender Heye Groß davon von Vedharajan Balaji erfuhr, dem Projektleiter unserer dortigen Partnerorganisation OMCAR, organisierte er sofort mit ihm die nötigen Voraussetzungen für den Transfer und durch unseren Aufruf konnten wir in zweieinhalb Tagen die erstaunliche Summe von 3000 € zusammenbekommen, die dort von OMCAR in Reis und andere Hilfsgüter umgesetzt und verteilt wurden. Unser großer Dank geht an alle, die dies möglich gemacht haben. Ganz viele Einzelspenden vor allem auch von jungen Menschen, was uns alle hier wirklich berührt hat, und uns gezeigt hat, was für eine wunderbare Community wir haben.

Dass wir unsere Projekte und Vorhaben unter den Bedingungen des letzten Jahres dennoch auf Hochtouren fortsetzen konnten, verdanken wir vor allem einem ganz besonderen Umstand: alle, die hier arbeiten, tun dies ehrenamtlich, alle schenken uns ihre Zeit, ermöglichen uns mit ihrer Expertise überhaupt erst wissenschaftlich fundiert zu arbeiten, und lassen unsere NGO mit ihrer Begeisterung und ihrem unerschrockenen Engagement zu dem werden, was sie ist.

Dank unseres ständig wachsenden Teams hat DEEPWAVE sich sprunghaft weiterentwickelt, Dinge, von denen wir kaum zu träumen wagten, gehören mittlerweile zu unserem Alltag. Und alle in unserem Team haben eine enge Verbindung zum Meer: sie sind auf Forschungsschiffen unterwegs oder als Whale Watcherin in den Gewässern um Gomera, beforschen und fotografieren Walhaie in Schutzprojekten, wohnen auf ihrem Segelboot, während sie promovieren, setzen sich als Surfer:innen gegen die Plastikflut an den Stränden ein, sind Apnoetaucherin oder Tauchlehrerinnen, reparieren Offshore-Windräder und schauen dabei den Schweinswalen von oben zu.



Aufgrund der guten Erfahrung der letzten Monate haben wir daher eine Entscheidung für die Zukunft getroffen: wir werden dieses Modell beibehalten, diese Form der freien Mitarbeit passt am besten zu uns und zu unserem Team. Es verlangt manchmal eine ordentliche Portion Flexibilität, wenn mitten in einem Projekt plötzlich die Doktorarbeit ruft oder die Masterarbeit, das homeschooling keine freie Minute lässt, Geld neben dem Studium verdient werden muss. Natürlich würden wir gerne Honorare zahlen können, aber das wirklich Erstaunliche ist, dass dies nie Bedingung ist, sondern das dringende Bedürfnis, dem, was mit unseren Meeren geschieht, wirksam etwas entgegenzusetzen.
 
Wir haben es in den letzten Monaten immer wieder erlebt, es immer mehr begriffen, was DEEPWAVE ausmacht: wir sind frei. Wir sind weisungsungebunden, wir können sagen, was wir wirklich denken. Wir können uns so für die Meere einsetzen, wie wir es für richtig und nötig erachten. Und wir sind flexibel, können sofort reagieren, wenn es erforderlich ist.
 
Auf politischer Ebene hat DEEPWAVE in enger Zusammenarbeit mit den Hauptakteuren der im Meeresschutz aktiven NGOs Anfang des Jahres die Meeresoffensive 2020 entwickelt, die sich in Bezug auf die entscheidenden Weichenstellungen, die im Megajahr 2020 anstanden und noch anstehen, an die Bundesregierung wendet. Dieses gemeinsam mit dem BUND, der DUH, fair oceans, Forum Umwelt und Entwicklung, NABU, Slow Food, WDC und dem WWF verfasste und von Brot für die Welt, fair fish, Greenpeace, Ozeanien Dialog, Reef Check, urgewald, der Schutzstation Wattenmeer und Waterkant mitunterzeichnete Papier hat für uns eine besondere Bedeutung, weil wir damit den Faden wieder aufnehmen und die fruchtbare Zusammenarbeit mit den wunderbaren Kolleg:innen fortsetzen können, mit denen Onno Groß gearbeitet hat.

Das Forderungspapier und eine soweit es geht aktualisierte Timeline mit den entsprechenden Veranstaltungen findet ihr auf unserer Website in der Rubrik Meerespolitik. Die Verschiebungen durch Corona wirbeln international alle entscheidenden Prozesse durcheinander, die Auswirkungen, die dies auf uns und unsere Meere haben wird, sind noch nicht abzuschätzen.

Auch wir mussten einiges verschieben, vor allem unser Highlight des Jahres: unser DEEPWAVE Filmfestival zum Schutz der Meere. Mitten in den Vorbereitungen kam der erste Lockdown, wann es stattfinden wird, steht in den Sternen, aber die Einreichungen, die wir bereits gesichtet haben, steigern unsere Vorfreude. Auch wenn der Tonfall sich geändert hat, noch ernster geworden ist. Man spürt, dass das Jahr 2019, in dem das ganze Ausmaß der Klimakatastrophe mit voller Wucht bewusst wurde und die Kipppunkte immer augenscheinlicher und immer mehr verstanden wurden, seine Spuren hinterlassen hat. Ein Satz, der uns nicht mehr aus dem Kopf geht: “Marine Scientists have to be allowed to cry.”



DEEPWAVE Team und Gäste

Aufgrund des Erfolges unseres Filmfestivals in 2019 wurden wir eingeladen, einen Filmabend mit Referent:innen zum Thema Korallen im Rahmen des ICRS (International Coral Reef Symposium) auszurichten, der größten Korallentagung der Welt, die alle vier Jahre stattfindet und 2020 in Bremen ausgerichtet werden sollte. Geplant ist, dass das Saving Corals ICRS Filmfestival nun am 15. Juli 2021 in der Schauburg in Bremen stattfindet.

Den Eröffnungsfilm für das DEEPWAVE Filmfestival produzieren wir wieder selbst, diesmal ein Artmovie zum Thema Verbundenheit mit dem Meer, Arbeitstitel “In The Sea”, Hauptdarsteller unser Botschafter Frederik Götz und der Atlantik. Der Realtake ist bereits abgedreht, im Februar geht es an die Postproduktion. Über unseren Instagram Account @deepwave_ocean_org werden wir euch auf dem Laufenden halten.
Im Rahmen unserer Kampagne zum Schutz der Tiefsee veröffentlichen wir Relevantes und Aktuelles auf unserer Website, unterzeichnen Stellungnahmen gegen den Tiefseebergbau und tauschen uns regelmäßig mit international aktiven Kolleg:innen aus. 

Unsere Verbindung zur Tiefsee hat uns auch in die glückliche Lage versetzt, ein persönliches Interview mit Antje Boetius zu führen, die mit dem Astro-Alex, dem Astronauten Alexander Gerst, vor den Azoren in die Tiefsee abgetaucht ist. Eine sehr empfehlenswerte Lektüre.



© AWI/Joachim Jakobsen

Vernetzungen sind das Gebot der Stunde: die Plattform climate connect ist gegründet worden, um weltweit Projekte aller Größenordnungen, die sich für den Klimaschutz einsetzen, zu vernetzen. DEEPWAVE war Pilotprojekt für den weltweiten Relaunch am 28. Juli 2020.

Vernetzungen zählen auch in Bezug auf das allgegenwärtige Thema Plastic pollution: Mit unserer BLUE STRAW Kampagne sind wir unter dem Motto „No Straw is the Best Straw“ auf der neuen Website des Runden Tisches Meeresmüll vertreten. Und wir haben zu unserer großen Freude den Zuschlag der one-for-the-planet-Community für unser Projekt Tassen statt Tampons: die Meere schützen bekommen.



Es geht dabei nicht nur um unglaubliche Ressourcenverschwendung (das Zahlenverhältnis vier versus 10.000), sondern um Selbstbestimmung und praktischen Meeresschutz.

Aufklärung ist und bleibt unser Hauptmetier und unsere Meeresfibel Unser Blauer Planet: gestern – heute – morgen ist und bleibt ein viel und gern genutztes Mittel, um Kinder und Jugendliche - und ihre Eltern und Großeltern, die ihnen beim Schmökern über die Schultern gucken und oft weniger wissen als ihre Kinder und Enkel - über die Meere zu informieren und sie für ihren Schutz zu begeistern. Aus Gründen persönlicher Verbundenheit freuen wir uns besonders, dass sie jetzt im Cuxhavener Bücherbus ausgeliehen werden kann.




Derzeit entwickeln wir mit unserem Kinderteam und der Illustratorin Iris Wolfermann - den Coronabedingungen entsprechend – eine aufwendige Version zu ihrer digitalen Nutzung.

Und schließlich der Paukenschlag zum Jahresende:



© DEEPWAVE / Anna Mandel

Jeder See und jeder Fluss ist wie eine Ader mit der Lunge unseres Planeten verbunden. Wir an Land sind untrennbar mit den Ozeanen verbunden. Und mit ihrem Zustand. Wir tragen zu ihrer Gefährdung bei, aber durch unsere tägliche Nähe können wir uns auch für ihre Regeneration stark machen.

Anlässlich des Giving Tuesday haben wir daher unsere neue Kampagne vorgestellt, die hier ansetzt. Eine Kampagne, die all unsere anderen Projekte bündelt und verbindet, eine weitreichende Kampagne im wörtlichen Sinn.

Wir haben uns gefragt, was wir erreichen wollen. Was wollen wir verändern, wirklich bewirken, transformieren? Das Meer leidet, nicht nur seine Bewohner, seine Lebewesen, sondern das Meer. Als Ganzes. Auch ein Ökosystem kann leiden. Wir alle – die Generation, die es verbockt hat, und die Jungen, die es ausbaden müssen – haben die Verantwortung dafür zu sorgen, dass es nicht so weiter geht wie bisher. Es ist ganz simpel. Und die Meere sind dabei kein Sidekick, kein Luxusproblemchen, das aus den Regierungsprogrammen gestrichen wird, wenn ein Absatz gekürzt werden soll. Wenn es überhaupt drin war (kein Scherz, wie wir aus unserer politischen Arbeit leider wissen).

In unserem Team sind lauter junge Wissenschaftlerinnen, denen ihr Studienobjekt unter der Hand wegstirbt. Die das aushalten. Wir können uns allerdings meist gar nicht vorstellen, wie weit weg die Meere im Bewusstsein derer sind, die nicht tagtäglich mit ihnen zu tun haben.

Und hier setzt unser neues Projekt an:  „Meeresschutzgebiete an Land“.



Wir holen den Meeresschutz an Land. Auf privaten Arealen, die ans Wasser grenzen, an einen Bach, Fluss, See oder Teich, an Fleete oder Kanäle, werden sogenannte “Meeresschutzgebiete an Land” eingerichtet. Auf diesen Flächen kann konkret und direkt dafür gesorgt werden, dass unsere Meere weniger belastet werden. Der Einsatz für die weit entfernten Lebensräume der Meere beginnt somit praktisch und sichtbar im nächsten Umfeld.

Das Projekt verbindet den Wunsch vieler, etwas wirksam tun zu können für die Meere, mit der Aufklärung darüber, was die aktuellen Bedrohungen der Meere sind und wie effektiver Meeresschutz aussehen kann.

Seit Donnerstag, dem 3. Dezember 2020, läuft die Ausschreibung für das erste Pilotgebiet. Die Gebiete vor unserer Haustür stellen den Beginn eines weltweiten Netzwerkes dar, in dem jedes noch so kleine Areal mit einem Partnergebiet auf der anderen Seite der Welt verknüpft ist, z.B. ein Grundstück am Alsterlauf mit einem Mangrovenaufzuchtsprojekt in Südindien, ein Bach in Friesland mit einer Schutzstation im Amazonas oder eine Hallig mit einem Korallenriff vor Australien.
Ganz nach dem Leitsatz des DEEPWAVE-Gründers Onno Groß:
„Jeden Tag, mit jedem Quadratmeter Schutzgebiet, jedem Verzicht auf Fisch und jeder Vermeidung von Plastikmüll können wir die Ozeane und unseren Planeten bewahren. Und mit jedem Hinterfragen und jeder aktiven Teilnahme am Meeresschutz kommen wir unserer Bestimmung zur Harmonie auf dieser Welt einen Schritt näher.“

Wir werden oft gefragt, was uns dazu verhilft, so positiv zu sein, in diesen Zeiten, in denen wir tagtäglich zusehen müssen, wie politische Ignoranz, ungehemmter und unhinterfragter Konsum, menschenverachtender Dünkel der sogenannten Ersten Welt und völlige Entfremdung von unserer natürlichen Umwelt unseren Meeren zusetzen. Die Antwort ist ganz einfach: die Haltung von Onno Groß, die uns jeden Tag in unserer Arbeit bestärkt – und das Meer.



Dies ist sein Vermächtnis an uns: wir werden weiterkämpfen, we will not surrender.

Was wir erreichen wollen? Ein Verständnis, das so tief geht, dass es schlicht und ergreifend keine Wahl lässt, anders zu handeln, als es jetzt Not tut. Kein einziges ausflüchtendes Aber zulässt. Alles Handeln, alle Entscheidungen ganz einfach und selbstverständlich werden lässt. Und vor allem die Begeisterung weckt, etwas tun zu können. So wie es David Attenborough vermittelt: wir können zur Wiederverwilderung unseres Planeten beitragen, ja, jetzt, in den nächsten 10 Jahren können wir es. Was für eine wunderbare Chance.
 
Anna Groß und das DEEPWAVE Team