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Stürmische Zeiten.

Gefährten mit Bärten
Gefährten mit Bärten schrieb am 08.08.2018

 Der nächste Morgen begann für uns früher als gedacht. Bereits um 9 Uhr standen wir auf und fingen an das Zelt abzubauen. So richtig fit fühlten wir uns nach dem vorangegangenen Abend mit Johannes und Piet nicht. Eigentlich keine gute Basis um die Route des grandes Alpes zu befahren, dachte ich mir. Die Müdigkeit sollte sich aber alsbald legen.   

Wir verpackten alles auf unseren Motorrädern, verabschiedeten uns von den beiden, die noch selig schliefen und von uns kurzzeitig aus dem Schlaf gerissen wurden und los ging es. Als wir die französische Grenze erreichten wussten wir, endlich bessere Straße. Keine SS1 mehr, die uns so viele Nerven mit alle ihren Schlaglöchern und ihrer komplett fehlgeplanten Straßenführung gekostet hat. Wir passierten die Grenze, wurden von den schwerbewaffneten Polizisten kurz gemustert, bevor sie uns durchwinkten und fuhren kurze Zeit später rechts ran. Frühstück. Wir aßen in einer kleinen Boulangerie und stärkten und mit Kaffee und Croissants.  

Nach unserem vollwertigen Frühstück ging es los. Die Route des Grandes Alpes. Von Menton aus fährt man gefühlte 5 Meter und direkt geht es los. Viele Kurven, enge Kehren, verdammt haben wir das in Mittelitalien vermisst. Die Müdigkeit war direkt verflogen und verwandelte sich einfach nur in Freude. Über die ersten beiden Pässe fuhren wir drüber, ohne anzuhalten. Es hat einfach so unglaublich viel Spaß gemacht. Dann fanden wir ein altes, verlassen Dorf, von dem aus man einen wunderbaren Ausblick hatte. Pause. Genießen.   

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Bevor wir auf den Col du Cayolle fuhren, sind wir in dem Dorf St. Michaele in einer kleinen Bar eingekehrt. Das Wetter wurde deutlich schlechter und es begann leicht zu regnen. Ein perfektes Timing für eine Pause. Während wir unsere Quiche aßen hofften wir, dass sich das Wetter rasch bessert – leider war dem nicht so.   


Nach unserer Pause fuhren wir los und peilten nun endgültig den Col du Cayolle an. Bevor wir oben ankamen fing es so stark an zu regnen, dass wir anhalten mussten. Zum ersten Mal auf unserer Reise kamen unsere Regenkombis zum Einsatz. Am Morgen hatten wir noch 37 Grad in Menton, nun unglaubliche 10 Grad und Regen auf dem Pass. Doof und ärgerlich. Aber damit muss man in den Bergen rechnen. Also rein in die Regensachen und weiter.   

Die Hoffnung auf eine Besserung des Wetters zerschlug sich immer weiter. Neben dem Regen kam nun auch ein heftiges Gewitter dazu. An einen Stopp auf dem Col du Cayolle war nicht mehr zu denken. Die Blitze zuckten um uns herum, der Donner grollte und wir realisierten erst gar nicht, dass wir grad mitten in einer Gewitterwolke fuhren. Es war ja so riskant, aber auch eine krass schöne Erfahrung. Dennoch nicht empfehlenswert.   

Mit eingeschränkter Sicht und vorsichtiger Fahrt hieß es nun auf nach Barcellonette, wo wir uns bereits einen Platz für unser Zelt gesichert hatten. Der Regen wurde immer stärker und wir hatten noch keine Ahnung, wie genau wir das Zelt aufbauen können, sodass es einigermaßen trocken bleibt. Es stellt sich aber ziemlich schnell heraus, dass wir uns darum keine Sorgen mehr machen müssen. Der Plan, auf dem Campingplatz zu übernachten, ging im Wasser unter. Hinter Barcellonette staute sich der Verkehr und wir führten das fort, was wir in Italien gelernt haben – den stehenden Verkehr irgendwie zu überholen. Vorne angekommen sahen wir das Unheil. Der kleine Bach samt Brücke wurde durch eine Schlamm- und Gerölllawine komplett überflutet. Weiterfahrt ausgeschlossen. 

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Wir überlegten noch kurz was wir machen sollten, riefen auf allen Campingplätzen, die noch zu erreichen waren an, aber keine hatte mehr Platz für ein Zelt. Wir regten uns wahnsinnig auf, schließlich ist unser Zelt so winzig, ein Einfaches drei Personen Zelt. Was sollten wir schon an Platz wegnehmen. Wie auch immer, aufregen löste unser Problem nicht. Wir fuhren in die Stadt hinein und hielten am erstbesten Hotel an. Ausgebucht. Das ganze Tal war binnen Minuten nach der Lawine ausgebucht, sagte uns die Dame hinter der Rezeption. Dabei ließ sich es aber nicht stehen. Sie war so bemüht, uns ein Zimmer in einem anderen Hotel zu besorgen. Fünf verschiedene Nummern wählte sie, fünf Absagen. Beim sechsten Anruf dann grünes Licht. Wir konnten unter einem festen Dach übernachten, yeah! Der Preis hatte es allerdings in sich .. doch welche Alternative hatten wir? Wildcampen bei solch einer Wetterlage? Nope. Niemals. Zu riskant. Also auf in die 4,5km entfernte Frühstückspension. 

Wir rollten mit den Motorrädern vor und oben auf dem Balkon wartete bereits unsere Gastgeberin für die Nacht. Musje Komp, rief sie von oben herunter und ich nickte. Durch das Innere des Hauses kam sie unten raus und öffnete uns die Tür zur Garage. Geil, dachte ich mir. Unsere Motorräder stehen auf jeden Fall sicher. Camille begrüßte uns so freundlich, half uns dabei unsere Sachen zum Trocknen aufzuhängen und bestand darauf, uns noch warme Getränke zu servieren, bevor sie uns unser Zimmer für die Nacht zeigte. So saßen wir da nun im warmen Wohnzimmer, tranken Tee und Kaffee und quatschten.   

Als wir ihr von unserer Tour berichteten, war sie hin und weg. Es stellte sich heraus, dass sie Mitglied im Rotary Club ist. Welch ein irrer Zufall. So waren unsere ersten Kontakte zu einer weltweit agierenden Organisation für humanitäre Dienste geschlossen. Unser Gespräch dauerte noch sehr lange, bis wir allerdings so müde waren, dass uns Camille unser Zimmer zeigte. Es stellte sich heraus, dass unser Zimmer ein ganzes Familienapartment sein sollte. Das hieß, jeder von uns hatte seinen eigenen Raum, mit seinem eigenen Bett. Nach 14 Tagen auf engstem Raum war es ein so luxuriöses Gefühl. Wir gingen duschen und fielen einfach todmüde ins Bett.   

Am nächsten Tag ging es für uns um 8:30 Uhr zum Frühstück. Das Wetter hatte sich beruhigt und Camille bereitete für uns das Frühstück auf der Terrasse vor, welches wir bei strahlendem Sonnenschein genossen. Wie ambivalent. Am Vortag noch fast im Regen ertrunken und nun war alles so still und friedlich. Sie sagte uns, dass die Straße bereits freigeräumt wäre. Dann hieß es für uns aber aufsatteln, noch ein Foto mit Camille zu schießen und ihr unsere Kontaktdaten inklusive Website aufzuschreiben. Zum Abschied wünschte sie uns alles Gute und wir machten uns voller Tatendrang auf den Weg.  
 
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Die beiden folgenden Pässe, der Col de Vars und der Col d´Izoard waren so schön zu fahren. Auf beiden machten wir halt und genossen einfach das Panorama, das Wetter und vor allem die Tatsache, dass wir wieder unter richtigen Motorradfahrern gelandet waren. In Mittelitalien grüßte niemand und hielt niemand Smalltalk. Hier allerdings war es genauso, wie in den vorherigen Alpenetappen. Eine Gemeinschaft.   Foto Gruß Motorradfahrer   Auf dem Col d´Izoard sahen wir schon die dunklen Wolken anrollen. Schaffen sollten wir es noch nach Besancon. Just in dem Moment, in dem wir dort ankamen, fing es erneut an zu stürmen. Wir parkten unsere Motorräder und machten zwangsweise Pause. Auf dem Regenradar sahen wir, dass sich das Gewitter in den nächsten Stunden kaum bewegen und sich in den Alpen austoben sollte.  Uns blieb nichts anderes übrig, als unsere Route für den Tag umzuplanen. Als neues Tagesziel erkoren wir Chambery aus.   Ich war wirklich enttäuscht. Nach all den Strapazen in den letzten Tagen, mit dem Todesfall, dem defekten Motorrad, den heißen Temperaturen und dem Urlaubsverkehr, habe ich mich auf mein persönliches Benefit zum Ausklang der Tour so sehr gefreut ..   

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Ernüchtert schlüpften wir erneut in unsere Regenkombis, verstauten alles und fuhren los. Bis nach Grenoble, gute 1 ½ Stunden Fahrt, regnete es in Strömen, bis es sich ein wenig beruhigte. Hinter Grenoble konnten wir dann auch wieder aus den Regensachen raus – sehr unangenehm bei warmem, nassen Wetter, da die Sachen meist null atmungsaktiv sind, als würde man einen Müllsack tragen.   Die Pause nutzten wir, um uns einen Zeltplatz in Chambery zu suchen. Beim checken der Wetterlage stellten wir allerdings fest, dass für die ganze Nacht weiterhin starke Gewitter angesagt waren. Uns blieb wieder nichts anderes übrig, als irgendwo in einer geschlossenen Unterkunft abzusteigen. Das Mittel der Wahl, über Airbnb ein privates Zimmer bei fremden Menschen zu mieten. Könnte ähnlich gut wie Couchsurfing funktionieren, dachten wir uns. Wir buchten ein kleines Zimmer in den Bergen über Chambery und fuhren los.   

In Chambery angekommen sollte sich der Wetterbericht bewahrheiten. Wir hatten grad noch Zeit die Motorräder abzuladen, diese sicher abzustellen und im Haus zu verschwinden, da ging es los. Unser Host xxx sollte sich als unglaublich nett und hilfsbereit herausstellen. Wir redeten noch kurz mit ihm, tranken gemütlich etwas, anschließend zog er sich aber zurück und bereitete sich auf die Arbeit vor. Nicht ganz so, wie wir uns das vorstellten, aber es war ja auch kein Couchsurfing, sondern Airbnb. Auch wir machten uns nach dem langen und nassen Tag bettfertig und gingen recht fix schlafen.   

Unser nächster Morgen startete damit, dass unser Gastgeber früh zur Arbeit ging und uns damit weckte. Ohne zu trödeln packten wir unsere Sachen, beluden die Motorräder und fuhren nach Chambery rein um zu tanken und zu frühstücken. Erst da realisierten wir, dass es unser letzter gemeinsamer Tag auf der Straße sein sollte. Wie schnell einfach die Zeit umging. Unser Plan war es, nach Belfort zu fahren, dort ein letztes Mal zu campen und einen super Ausklang für unsere gemeinsame zu haben. Wir starteten uns fuhren direkt in die Jura Alpen. Es waren herrliche Strecken und wir genossen jeden Kilometer.   

Dann allerdings erneut schwarze Wolken, Blitze und Donner. Noch bevor es anfing zu regnen, zogen wir unsere Regenkombis an, da man in der Ferne bereits den Regen sehen konnte und wir genau in diese Richtung fahren mussten. Wir fuhren los. Mitten ins Gewitter rein. Plötzlich, binnen Sekunden, begann der Starkregen. Mehrere Centimeter pro Quadratmeter. Von jetzt auf gleich war nichts mehr zu erkennen. Unsere Geschwindigkeit mussten wir auf 30km/h drosseln, uns am rechten Fahrbahnrand halten und selbst das war nicht wirklich besser. An einem Café, welches wir erst im letzten Moment sahen, hielten wir mal wieder zwangsweise an. Während wir einen Espresso tranken checkten wir das Regenradar. Wir würden auf direktem Wege wieder aus dem Gewitter rausfahren. Als der Regen wieder etwas nachließ nutzten wir die Chance, sprangen auf die Motorräder und fuhren los. Nach gut 30min sind wir dann tatsächlich aus dem Regen rausgefahren. Wir zogen die Regenkombis aus und freuten uns darüber, dass es auf unserer weiteren Strecke keinen Regen und keine Gewitter mehr geben sollte.  

Die letzten Pässe hinter uns gelassen machten wir vor Montbeliard Pause. Es galt einen Campingplatz für die Nacht zu finden. Wir telefonierten ein wenig rum und tatsächlich gab es noch einen Platz für uns auf einem Campingplatz mitten in Belfort. Kurzzeitig freuten wir uns, allerdings nur, bis wir den Preis hörten. 50€(!!!) verlangte man für eine Nacht. Bei aller Liebe zum Campen, das war es uns dann wirklich nicht wert. Wir griffen nochmal zu unserem Handy und mieteten uns wieder ein Zimmer über Airbnb in Belfort.   

Dort angekommen stellte sich heraus, dass wir die allerersten Gäste von diesem unglaublich freundlichen älteren Ehepaar waren. Wir parkten die Motorräder in der Garage, luden alles ab, brachten die Sachen in unser wirklich schönes Zimmer für die Nacht und setzten uns anschließend mit beiden zusammen in die Küche. Namentlich möchten die beiden in unserem Blog nicht genannt werden, auch ein Foto mit ihnen war leider nicht drin. Grund dafür: Depressionen scheinen in Frankreich immer noch ein Tabuthema zu sein. Sie waren an unserer Sache zwar sehr interessiert, fanden das toll und bemerkenswert, wollte aber partout nicht in der Tiefe darüber reden. Das akzeptierten wir und ließen wir unseren letzten gemeinsamen Abend mit einem Gang durch die Stadt und einem Restaurantbesuch ausklingen.   







Wir sind noch nicht am Ende angekommen.