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2. Quartalsbericht

Ineke  K.
Ineke K. schrieb am 21.03.2019

Ich bin mit meinem Freiwilligendienst bei der Hälfte der Zeit angelangt und inzwischen schon über 7 Monate hier - das bedeutet für mich, dass der zweite Zwischenbericht für Volunta fällig wurde und somit hänge  ich euch den ganz einfach hier unten dran. Viel Spass beim Lesen!

 Das Zwischenseminar: 

Noch ist die Erinnerung von meinem Zwischenseminar, das erst drei Wochen her ist, sehr frisch. Für mich war das Seminar in jeder Hinsicht ein Erfolg, es war unglaublich schön gelegen und der Ort lud uns ein mehr über die Kultur der indigenen Gruppe der Bribrí zu erfahren. Wir hatten immer wieder sehr interessante Begegnungseinheiten mit Menschen aus der Gemeinschaft und ich habe den Austausch als sehr fruchtbar empfunden. Die Einheiten, die wir in der geschlossenen Gruppe hatten, waren ebenfalls wunderbar; die Themen, die wir besprochen haben, hatten dann so viel näher gewirkt als beim Vorbereitungsseminar. 

Ich empfand es als schade, dass dieses das einzige Zwischenseminar bleibt, denn ich habe in den Tagen gemerkt, wie gut es mir tat, in dieser Gruppe von  Freiwilligen Zeit zu verbringen und wie sehr ich den Input des Seminars und die Reflexion mit dieser anderen Brille durch die Teamer und durch die inhaltliche Aufbearbeitung gebraucht habe. Das Seminar hat mir – in Ansaetzen – geholfen, zu verstehen, was mir in diesen ersten 6 Monaten passiert ist, es hat mir neuen Input zur Kultur der Bribrí gegeben und mir einen wunderschoenen Ort gezeigt, den ich vorher nicht kannte, es hat mir den Austausch mit anderen Freiwilligen angeboten, die ich vorher gar nicht kannte und die sehr spannende Dinge aus ihrer Zeit und von ihren Projekten erzählen konnten und es hat mich inspiriert, Dinge in meinem eigenen Projekt anders anzugehen. 

Meine Reisen im Land: 

Ich hatte in meinem ersten halben Jahr die Moeglichkeit, sehr sehr viel zu reisen. Im Nachhinein bereue ich ein bisschen, diese so ausgenutzt zu haben, denn so ist mir viel Zeit in meiner Gastfamilie und in San José verloren gegangen. Aber gerade am Anfang kam es mir so aufregend vor, dieses neue Land kennen zu lernen und aus Gespraechen mit ganz vielen Ticxs hatte ich herausgehoert, dass, wenn jemand das Land kennen lernen will, es sich nicht lohnt, in San José zu bleiben. Schilderungen von traumhaften Stränden und immer wieder die Frage, ob ich im Land schon gereist bin, hatten mich also dazu bewegt, jede Möglichkeit des Reisens auszunutzen. Ich war so an mehreren Wochenenden und den vier Wochen in denen CIPAC geschlossen hatte, an der Karibik und an anderen Stränden, ich habe den Regenwald gesehen und mit Touren Wanderungen gemacht, meistens in ausgeschilderte Touri-Gegenden. Die meisten Reisen waren mit anderen Freiwilligen und gerade in dem touristischen Puerto Viejo am Anfang des FD fielen wir unter den Touris nicht auf. Wir lernten nette Backpacker aus aller Welt kennen und wurden gut aufgenommen in der Hostel-Community der workaway-Freiwilligen. 

Es dauerte einige Zeit, bis ich merkte, dass einige der Dinge, die mich erfahrungsmässig noch immer von vielen Ticxs unterschied und die Barreren, die in vielen Gespraechen entstanden, waren, dass ich immer als Touristin wahrgenommen wurde. Ich als Weisse Europäerin mit meinem gebrochenen Spanisch am Anfang, und mit den Geschichten von den vielen Reisen, die ich unternommen hatte, entstand sofort ein Verständnisgraben zwischen mir und vielen Ticxs. 

Ich konnte das lange nicht einschätzen, warum es oft ja die Ticxs selbst waren, die dieses Thema vorschlugen und wie dann trotzdem immer eine Lücke zwischen uns entstand. Meine Freundin, die Tica ist, sagte einmal in einem sehr erkenntnisreichen Gespraech, „dass das eben die höfliche Art vieler Menschen ist, Smalltalk zu machen. Das muss nicht heissen, dass die selben Menschen gut heissen, dass du so viel reist – viele wünschen sich selbst genau das: das Privileg, die Zeit und vor allem das Geld, so viel zu reisen. Ich spüre seit Jahren immer wieder Neid und Unverständnis seitens meiner Familie, seit ich angefangen habe, Costa Rica zu entdecken“. 

Ich hatte mich also ganz schön getäuscht.  Für Monate hatte ich nur von meinen Reisen erzählt – und die Ticxs dafür beglückwunscht, in so einem schönen Land zu leben. Und dabei hatte ich missachtet, dass das wahrscheinlich in vielen Ticxs gemischte Gefühle auslöst, die selbst nicht die Möglichkeiten haben, so zu reisen. Und dass das einen Graben erschafft, zwischen mir als weisser, privilegierter Europäerin und Menschen, die oft nicht mal in ihrem eigenen Land  nicht die Möglichkeit haben, zu reisen, anstatt mit Menschen darüber zu reden, was uns bewegt, zuzuhören und Geschichten zu erfahren. 

 

Die Sache mit meinem Einsatzplatz: 

Bei meinem letzten Zwischenbericht kam nicht ganz raus, wie unbefriedigend fuer mich eigentlich die Situation in meiner Einsatzstelle war. Das hatte vielleicht mehrere Gruende, aber vor allem den, dass ich es durch Verdraengung geschafft hatte, meiner Situation sehr viel Positives abzugewinnen: Wenigstens ist das Team sehr offen. Die Arbeitstelle ist ja total interessant. Mich interessiert das Thema doch total! Meine Vorfreiwilligen hatten es ja auch geschafft. 

Tatsache ist aber, dass ich die ersten 5 Monate in CIPAC eigentlich überfluessig war. Dazu kommt, dass ich ueber die Organisation an sich, ueber die Projekte und ueber die LGBT*-Gemeinschaft in Costa Rica kaum etwas gelernt habe. 

Um zu realisieren, dass es so ist, hat mir vor allem mein Zwischenseminar geholfen. Ich glaube es war der dritte Abend, als wir alle zusammensassen, um uns unsere Einsatzstellen gegenseitig vorzustellen. Eine nach der anderen war an der Reihe und wir erfuhren viel ueber Problemviertel in San José, ueber die Arbeit mit Kindern und ueber Frauennetzwerke. Es waren zwar nicht alle zufrieden, viele hatten schwierige Arbeitsbedingungen, weil die Dinge, mit denen sie auf der Arbeit konfrontiert wurden, oft ganz schoen viel Zeit und Zuwendung brauchten, um verarbeitet zu werden. Aber irgendwie hatten alle einen klaren Plan davon, was ihre Einsatzstelle tut. Alle hatten unglaubliche und spannende Geschichten zu erzaehlen, alle hatten einen richtigen Einblick und alle hatten einen ausgefuellten Arbeitsalltag... 

Als ich dran kam, schaemte ich mich ein bisschen. Ich hatte nicht wirklich viel zu erzahlen. Das, was ich ueber CIPAC sagen konnte, hatte ich aus dem Internet oder in Broschueren gelesen. Und meine Aufgaben bei CIPAC waren nicht nur sehr ueberschaubar (Recycling, Zeitung lesen, sporadische Hilfe bei talleres , zB Materalien bereit machen), sondern auch herzlich unaufregend. Ich erzaehlte den anderen etwas erschrocken davon. „Irgendwie dachte ich, dass es euch aehnlich geht. Ich war froh ueber so viele Sachen, die so einfach waren bei meiner Arbeit und ich hatte die ganze Zeit die Idee, dass es an mir und an meinem Spanisch liegt, dass ich nicht eingebunden werde. Aber inzwischen kann ich Spanisch, und ihr seid auch nicht ausgebildeter als ich – und ich habe trotzdem novh so wenig gesehen...“ 

Bei der kollegialen Beratung am naechsten Seminartag wurde das angesprochen. Ich bekam die Chance, mit der grossen Gruppe darueber zu reflektieren, wo ich stand und was meine Moeglichkeiten waren. Am Ende stand fest: In meiner Einsatzstelle muss sich etwas aendern und ich muss dazu mit meiner Chefin reden – daran fuehrt kein Weg vorbei. 

... 

Inzwischen sind fast drei Wochen vergangen und die Situation hat sich tatsaechlich gebessert – vor allem spuere ich mehr Vertrauen von Seiten eines Kollegen. Das ist fuer mich besonders wichtig, weil er einer der wenigen ist, der fast jeden Tag ins Buero kommt – die anderen arbeiten meist von zuhause – und er kann mir manchmal Aufgaben geben, die wirklich spannend sind, die mich fordern und bei denen ich auch etwas lerne. Ausserdem sehe ich direkt, wie ich ihm zuarbeite, wenn ich Dokumene uebersetze und ich bin teilweise auch an Diskussionen beteiligt, was inhaltliche Dinge zu Geschlechtsidentitäten oder sexuelle Orientierungen angeht. Ich bin darueber sehr froh und mache diese Dinge auch gerne, aber trotzdem habe ich oft das Gefuehl, dass ich von den entscheidenden Prozessen in CIPAC nicht viel mitbekomme und die restlichen Mitarbeiter reden weiterhin kaum mit mir, was aber vor allem daran liegt, dass sie nicht im Büro sind. 

Oft ist es immer noch so, dass reuniones statt finden über wichtige Dinge, ohne dass ich davon mitbekomme und ich weiss so gut wie kaum etwas über die neuen Projekte von CIPAC, die demnächst starten sollen. 

Sonstiges: 

In meiner Gastfamilie bin ich nach wie vor zufrieden – ich bin froh, diese Moeglichkeit zu haben, in Costa Rica reinzugucken und wir haben uns inzwischen wirklich zusammengelebt, trotzdem freue ich mich auf die Zeit, wenn ich endlich wieder komplett unabhängig bin und nicht mehr in Familienzusammenhängen wohne. Aber irgendwie wird diese Zeit, in der ich noch in der Gastfamilie wohne, ja langsam sehr überschaubar.