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Bundesrat stimmt gegen mehr politischen Handlungsraum für Zivilgesellschaft

Annika Schmidt-Ehry (sie/ihr)
Annika Schmidt-Ehry (sie/ihr) schrieb am 12.10.2020

Entgegen unserer Hoffnungen hat sich die Bundesratsmehrheit vergangenen Freitag gegen mehr Rechtssicherheit für zivilgesellschaftliche Organisationen ausgesprochen. In der Stellungnahme zum Jahressteuergesetz schlägt der Bundesrat zwar viele Erleichterungen für Vereine und Stiftungen vor, ein wichtiger Antrag wurde jedoch abgelehnt. Offenbar sieht der Bundesrat keine Notwendigkeit, zivilgesellschaftlichen Organisationen mehr politischen Handlungsspielraum einzuräumen. Damit verkennt er – im Gegensatz zur Mehrheit der Landesfinanzminister*innen –, wie wichtig das selbstlose Engagement von Bürgerinnen und Bürgern für die Demokratie ist.

Die vom Bundesrat vorgeschlagenen neuen Zwecke sind richtig, gehen aber nicht weit genug. Denn auch Klimaschutz, „Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden“ und Dorfverschönerung sind nur halb so viel wert, wenn sie nicht mit politischen Mitteln verfolgt werden können. Ist ein Verein für Dorfverschönerung überzeugt, dass der Neubau des Rathauses das Dorfbild verschandelt, muss er Einfluss auf politische Entscheidungsträger*innen nehmen können. Und werden Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Identität diskriminiert, benötigen sie mehr als nur warme Worte – es braucht eine Lobby, die politische Forderungen zur Gleichstellung erhebt und staatliches Handeln kritisch beobachtet.

Und wenn ein Fußballverein sich zum Jahrestag des antisemitischen Anschlags von Halle am vergangenen Freitag äußert, ist das ein wichtiger Beitrag für unsere Gesellschaft. Was die Landesfinanzminister*innen erkannt haben, entfällt beim Votum des Bundesrats: „Elementare Bestandteile einer lebendigen Demokratie sind eine kritische Zivilgesellschaft und starke Organisationen, die politische Entscheidungsprozesse aktiv begleiten, sich einmischen und Stellung beziehen. Die selbstlose Beteiligung an der öffentlichen Meinungsbildung sowie der politischen Willensbildung sind Kennzeichen des zivilgesellschaftlichen Engagements und ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Gemeinwesens. Zivilgesellschaftliche Organisationen leisten aufgrund gewandelter gesellschaftlicher Strukturen einen immer größeren Beitrag zur gesellschaftlich-demokratischen Debatte. Das politische Engagement der Zivilgesellschaft nimmt kontinuierlich zu, politische Willensbildung erfolgt nicht mehr nur ausschließlich durch Parteien.“

Es liegt nun an der Bundesregierung und dem Bundestag das Gemeinnützigkeitsrecht ins 21. Jahrhundert zu bringen und Rechtssicherheit für die vielen Vereine und Stiftungen zu schaffen, die seit Jahren verunsichert sind. So könnte sich die Bundesregierung entscheiden die von den Landesfinanzminister*innen vorgeschlagenen Änderungen dennoch aufzunehmen, die Koalitionsfraktionen einen entsprechenden Änderungsantrag einbringen oder Bundesfinanzminister Olaf Scholz den von ihm angekündigten Gesetzesentwurf zum Gemeinnützigkeitsrecht einbringen. Es bleibt allerdings offen, ob eine solche Initiative im Gesetzgebungsverfahren eine Mehrheit erhält. 

Wir werden den Prozess weiter beobachten und Sie über die Entwicklungen informieren.