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Der Prozess gegen die "Gruppe Freital"

Andrea H.
Andrea H. schrieb am 14.02.2017

Am 7. März 2017 beginnt vor dem Oberlandesgericht in Dresden der Prozess gegen die rechte „Gruppe Freital“ u.a. wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und versuchten Mordes in vier Fällen. Es ist der erste Prozess dieser Art vor einem sächsischen Gericht.

Die Anklage

Am 2. November 2016 erhob die Bundesanwaltschaft vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden Anklage gegen insgesamt acht Beschuldigte. Ihnen wird zur Last gelegt „spätestens im Juli 2015 eine rechtsterroristische Vereinigung („Gruppe Freital“) gegründet und sich in ihr als Mitglieder, die Angeschuldigten Timo S. und Patrick F. als Rädelsführer, beteiligt zu haben“. Damit verfolgten sie das Ziel, Sprengstoffanschläge auf Asylbewerberunterkünfte sowie auf Wohnungen, Büros und Fahrzeuge politisch Andersdenkender zu begehen, um dadurch ein Klima der Angst und Repression erzeugen.

Sie sollen sich außerdem des versuchten Mordes bzw. der Beihilfe sowie in einer unterschiedlichen Anzahl von Fällen der gefährliche Körperverletzung, versuchten gefährliche Körperverletzung, der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und Sachbeschädigung schuldig gemacht haben. Fünf der Angeklagten werden darüber hinaus der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens beschuldigt. Die Beschuldigten sollen eine große Anzahl in Deutschland nicht zugelassener pyrotechnischer Sprengkörper aus Tschechien eingeführt haben. Außerdem begann sich die Gruppierung ab September 2015 auch mit dem Bau von Rohrbomben zu beschäftigen. Laut Anklage besaß Patrick F. hierfür bereits im November 2015 wesentlichen Bauteile.

Die Anschläge der „Gruppe Freital“


  • 27.07.2015: Anschlag auf Auto eines Lokalpolitikers 
    Das Auto eines Stadtrates, der sich für Asylsuchende einsetzt, wurde durch eine heftige Explosion schwer beschädigt. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts eines Sprengstoff-Anschlags. Bereits zuvor wurde der Politiker mehrfach bedroht.

  • 19.09.2015: Pyrotechnik an Fenster angebracht I
    Kurz vor Mitternacht wurde Pyrotechnik an ein Fenster in einer Wohnung, in der dezentral untergebrachte Asylsuchende leben, angebracht. Die Explosion zerstörte Fenster und Rahmen sowie Einrichtungsgegenstände.

  • 20.09.2015: Pyrotechnik an Fenster angebracht II
    In den frühen Morgenstunden wurde an einem Büro der Partei "Die Linke" Pyrotechnik an einem Schaufenster angebracht. Die Explosion zerstörte das Fenster und beschädigte Fensterrahmung und Mauerwerk.

  • 19.10.2015: Angriff auf alternatives Wohnprojekt in Dresden
    Sonntag Nacht hat eine vermummte Gruppe ein alternatives Wohnprojekt in Dresden mit Steinen und Pyrotechnik attackiert. Weiterhin hatten die Täter_innen zwei mit Buttersäure gefüllte Flaschen mit Pyrotechnik gezündet. Eine der Flaschen explodierte. 

  • 01.11.2015 Sprengstoffanschlag in Freital
    Unbekannte brachten den Sprengsatz aus nicht zugelassenen Böllern vor dem Schlafzimmerfenster einer Wohnung, in der Flüchtlinge untergebracht sind, zur Detonation. Die Scheibe zersplitterte, der Fensterrahmen ging zu Bruch. Ein 26-jähriger Bewohner aus Syrien, der bereits geschlafen hatte, wurde von Glasscheiben im Gesicht getroffen und verletzt. Insgesamt haben die Täter drei Sprengsätze vor Fenstern des Hauses gezündet. Alle drei Scheiben gingen zu Bruch. 

                                                                                                                      aus unserer Chronik

Die Angeklagten

Timo S. (27) und Patrick F. (25) sollen die zentrale Führungsposition innerhalb der Vereinigung übernommen haben und maßgeblich für die Planung und Organisation der von der „Gruppe Freital“ verübten Anschläge verantwortlich sein. Timo S. wurde bereits im April 2016 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, da er gemeinsam mit Anderen in der Nacht auf den 24. Juni 2015 mit zwei Fahrzeugen Teilnehmer einer antirassistischen Kundgebung verfolgt hatte. Als das Auto an einer Tankstelle stoppte, umstellten es die Täter und einer der Täter schlug mit einem Baseballschläger auf die Scheiben des Autos ein und verletzte dabei einen der Insassen durch umherfliegende Glassplitter.

Philipp W. (29), Justin S., (19), Maria K. (28), Sebastian W. (26) sollen gemeinsam mit Patrick F. ein Explosionsverbrechen vorbereitet haben. Mike S. (38) und Rico K. (38) sollen mit den anderen eine rechtsterroristische Vereinigung gebildet und sich in unterschiedlicher Konstellation an den Anschlägen der Gruppierung beteiligt haben.

Die Ermittlungen

Die Bundesanwaltschaft ermittelte seit April 2016. Bis dahin führte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Ermittlungen gegen fünf der Beschuldigten, Patrick F., Timo S., Justin S., Philipp W. und Maria K. wegen des Tatverdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und anderer Straftaten. In diesem Zusammenhang durchsuchte das Operative Abwehrzentrum am 5. November 2015 neun Wohnung in Freital und nahm die Beschuldigten fest. Timo S., Patrick F. und Philipp W. verblieben in Untersuchungshaft, Justin S. und Maria K. wurden zunächst wieder auf freien Fuß gesetzt. Zur Last gelegt wurden den Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, gefährliche Körperverletzung, versuchte gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung. Gegenstand waren der Anschlag am 19. Oktober 2015 auf das alternative Wohnprojekt in Dresden sowie der Anschlag am 1. November 2015 auf die Asylsuchendenunterkunft in Freital.

Ab März 2016 prüfte die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe den Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Am 11. April 2016 übernahm dann die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen gegen diese fünf Angeschuldigten. Zugleich sind in das Verfahren die Angeschuldigten Sebastian W., Rico K. und Mike S. einbezogen worden, gegen die die Generalstaatsanwaltschaft Dresden gesonderte Ermittlungen wegen des Tatverdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und anderer Straftaten geführt hatte.

Am 19. April 2016 ließ die Bundesanwaltschaft die weiteren Beschuldigten Justin S., Rico K., Maria K., Sebastian W. und Mike S. aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs festnehmen. Die GSG 9 führte die Festnahmen in Freital durch. Seither sitzen alle acht Beschuldigten in Untersuchungshaft.




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