Zum Hauptinhalt springenErklärung zur Barrierefreiheit anzeigen
Deutschlands größte Spendenplattform

Wir haben 59.293,24 € Spendengelder erhalten

Kai v.
Kai v. schrieb am 12.05.2021

Liebe Spender*innen und Supporter*innen,
Vielen Dank, dass ihr für uns da seid! Wir schöpfen viel Kraft aus eurer Unterstützung in einer Zeit, in der zivile Seenotrettung und der Einsatz für ein solidarisches Miteinander immer wieder von politisch motivierten Kriminalisierungskampagnen angegangen werden.
Während 2020 die Corona-Pandemie im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit stand, spitzte sich die humanitäre Katastrophe an den EU-Außengrenzen weiter zu: Laut offizieller Angaben starben 1.417 Schutzsuchende bei dem Versuch das Mittelmeer zu überqueren. Die Dunkelziffer ist vermutlich noch höher. Auch im Jahr 2021 zeichnet sich aktuell ein dramatischer Trend ab. Die Zahl der Menschen, die sich auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer machen, nimmt wieder zu und aufgrund blockierter Rettungsschiffe und fehlendem staatlichen Handeln steigt auch die Anzahl der Todesfälle an. 
Das zentrale Mittelmeer bleibt insgesamt eine der häufigsten Fluchtrouten nach Europa. Aktuell sterben 3,5 % der Menschen, die versuchen über diese Route zu fliehen (im Vergleich: 2020 lag die Todesrate im selben Zeitraum bei 1,7%). 90 % der Geflüchteten, die diese Überfahrt wagen, starten in Libyen. Einem Land, in dem seit Jahren Bürgerkrieg herrscht. Dort müssen die Schutzsuchenden  in menschenunwürdigen Lagern ausharren. Versuchen sie dann die lebensbedrohliche Überfahrt nach Italien anzutreten, werden sie dank der Kooperation der EU mit der sogenannten libyschen Küstenwache (LCG) völkerrechtswidrig in das Bürgerkriegsland zurückgeschleppt. Obwohl die sogenannte LCG für eklatante Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, hält die EU an dieser Kooperation fest. In den letzten Jahren wurde die Finanzierung, Ausrüstung und Koordination der Einsätze weiter intensiviert.  

Seit 2015 operieren mehrere zivile Seenotrettungsorganisationen aus verschiedenen europäischen Ländern, vor allem Deutschland, Italien und Spanien, hauptsächlich im zentralen Mittelmeer. Dabei übernehmen sie die staatliche Aufgabe der Seenotrettung. Von Juni 2016 bis zu ihrer Beschlagnahmung im  August 2017 war auch unsere IUVENTA dort im Einsatz und konnte, bis sie beschlagnahmt wurde insgesamt 14.000 Menschen retten. Gegen 10 unserer ehrenamtlichen Crewmitglieder wurde ermittelt, nach fast 4 Jahren sind diese Ermittlungen abgeschlossen. Wie kürzlich bekannt wurde, wird gegen 4 Crewmitglieder Anklage erhoben. Unsere Crew konnte die tödlichen Folgen der europäischen Abschottungspolitik nicht hinnehmen. Aus Solidarität haben sie Menschen aus Seenot gerettet. Nun wird ihnen von italienischen Strafverfolgungsbehörden die Beihilfe zur illegalen Einwanderung vorgeworfen. Und das obwohl die absurden Vorwürfe schon 2018 von unabhängigen Wissenschaftler*innen der widerlegt wurden. 

Darüber hinaus berichteten verschiedene Zeitungen, dass die sizilianische Staatsanwaltschaft im Zuge der Ermittlungen dutzende Telefongespräche zwischen Journalist*innen, Retter*innen und sogar Anwält*innen abgehört hat. Italienische Journalist*innen beschrieben diesen Vorfall als "eine(n) der größten Angriffe gegen die Presse in der Geschichte dieses Landes".

Umso mehr haben wir uns darüber gefreut, dass unserer Crew im Februar der Amnesty Menschenrechtspreis 2020 verliehen wurde. "Die Iuventa-Crew steht für all die freiwilligen Helferinnen und Helfer, die sich auf dem Wasser und auf dem Land für das Überleben von Schutzsuchenden einsetzen. Amnesty International zeichnet sie daher stellvertretend für all diese Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger mit dem Amnesty Menschenrechtspreis 2020 aus", sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International Deutschland. "Sie alle verdienen Anerkennung, Unterstützung und Schutz – statt Anfeindungen, Bedrohungen oder – wie in diesem Fall – politisch motivierter Verfolgung durch Behörden." 

Wir stehen solidarisch hinter unserer Crew. Jugend Rettet  finanziert ihren juristischen Beistand und ihre wichtige Öffentlichkeitsarbeit – so konnte 2020 die neue Website https://iuventa10.org/case/ online gehen, die umfassend über den Fall informiert und alle erhobenen Vorwürfe aufzeigt und entkräftet.



Auch die Arbeit der noch operierenden Seenotrettungsorganisationen wird immer stärker durch politische Maßnahmen behindert.  Die 8 aktiven NGO-Schiffe waren meist nur für wenige Wochen im Einsatz, bevor behördliche Schikanen ihre Einsätze stoppten. Italien und Malta weigerten sich vermehrt,Gerettete aufzunehmen und untersagten die Einfahrt in ihre Häfen. Das dänische Handelsschiff Etienne stellte dabei am 4. August einen traurigen Rekord auf: Malta verwehrte der Crew und 27 Geretteten 5 Wochen lang die Hafeneinfahrt und verursachte damit den längsten Stand-off in der Geschichte der Such- und Rettungsaktivitäten im Mittelmeer. Auch dieser schreckliche Vorfall hat jetzt rechtliche Konsequenzen. Nicht für Malta oder Italien, sondern für die italienische NGO Mediterranea Saving Humans, welche auf das dringendes Hilfeersuchen der Etienne reagierte, das wochenlange Leiden der Menschen beendete und sie nach Sizilien brachte. Auch ihnen wird Beihilfe zur illegalen Migration vorgeworfen.

Rettungsschiffe wurden zudem wiederholt an ihrer Arbeit behindert. Zuletzt haben die italienischen Behörden die Sea-Watch 3 festgesetzt. Wenn sie im Einsatz sind, funktioniert die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden nur noch lückenhaft. Auch die zivile Seenotrettung wurde ab März vorübergehend von der COVID-19-Pandemie lahmgelegt. Im Rahmen des geltenden Gesundheitsnotstandes durch COVID-19 erklärten im April sowohl Italien und Malta ihre Häfen für nicht sicher und verweigerten den Schiffen die Einfahrt. 

Trotz aller Widrigkeiten konnten Seenotrettungsorganisationen im Jahr 2020 rund 3.500 Menschen retten.

Während auf dem Mittelmeer die Corona-Pandemie für das Ausbleiben dringend benötigter Rettungsskapazitäten sorgte , verwandelte sie an Land die Lager der EU-Außengrenzen in eine tödlichen Falle. Das griechische Flüchtlingscamp Moria, ursprünglich für knapp 3000 Leute konzipiert, beherbergte 2020 teilweise bis zu 20.000 Menschen in menschenunwürdigen Zuständen. Schon vor der Corona-Pandemie war die Situation vor Ort untragbar, die hygienischen Bedingungen katastrophal. Die Pandemie verschlimmerte diese Situation zusätzlich: Zehntausende Menschen waren dem Virus schutzlos ausgeliefert. Über 1000 Menschen mussten sich einen  Wasserhahn teilen und Seife war nicht erhältlich. Das Einhalten der Mindestabstände war unmöglich, an medizinische Infrastruktur nicht zu denken.

Das politische Versagen musste auch hier wieder durch die Arbeit von NGOs aufgefangen werden. In dieser Notsituation war es uns wichtig, die Arbeit von Organisationen vor Ort in Griechenland zu unterstützen. Wir haben deswegen im Mai unseren Freund*innen von Medical Volunteers International e.V. und Equal Rights Beyond Border eine Spende gesendet, von der unter anderem dringend benötigte Corona-Schutzmasken für die geflüchteten Menschen in den Camps gekauft werden konnten. 

Im März 2020 startete die Kampagne #LeaveNoOneBehind, die eine sofortige Evakuierung der Aufnahmelager auf den griechischen Inseln auf Grund der enormen Corona-Infektionsgefahr fordert. Trotz monatelanger Kampagnen-Arbeit diverser Politiker*innen und NGOs für die sofortige Evakuierung des Camps Moria auf Lesbos wird im August der erste Corona-Infektionsfall bekannt. Im September brennt das Camp dann aufgrund der vollkommenen Abschottung der Menschen ab.Die EU baut ein neues Lager neben einem verminten Truppenübungsplatz auf. Bis zum heutigen Tag leben tausende Menschen in Kara Tepe, dem Moria 2.0 auf Lesbos in menschenunwürdigen Verhältnissen.
Aus #LeaveNoOneBehind wurde schnell eine internationale Solidaritätsbewegung, der sich auch Jugend RETTET angeschlossen hat. In zahlreichen deutschen Städten haben wir dazu Aktionen organisiert und an deren Umsetzung mitgewirkt.So haben wir in Erlangen die #WirHabenPlatz- Demo zur Evakuierung der griechischen Flüchtlingslager zusammen mit der Seebrücke Erlangen und Amnesty International organisiert. In Magdeburg demonstrierten wir gemeinsam mit der Seebrücke und Solidarisches Magdeburg gegen die menschenverachtende Abschottungspolitik der EU.In Bonn organisierten wir gemeinsam mit Sea Eye und der Seebrücke im März und April regelmäßige Mahnwachen, um auf die unhaltbaren Zustände auf dem Mittelmeer und den griechischen Inseln aufmerksam zu machen.Darüber hinaus nahmen wir am 18.03 an der der Online-Demonstration “Silhouettes of Solidarity” von Europe must act teil. Dabei wurden auf der Straße, vor der Haustür oder auch Indoor auf Tafeln, Flipcharts mit Kreide oder Stift & Papier kreative Silhouetten von Menschen gemalt und die Fotos davon mit den #EuropeMustAct #LeaveNoOneBehind und der Location über die sozialen Medien geteilt.
Wichtig war für uns auch eine Solidarisierung mit den antirassistischen Kämpfen der Black Lives Matter Bewegung, da wir das massenhafte Sterben auf dem Mittelmeer als tödliche Folge eines strukturellen Rassismus begreifen, der das Leben schwarzer Menschen als wertlos behandelt. Deswegen haben wir im Juli die Kundgebung “Gemeinsam gegen Rassismus” in Erlangen mitorganisiert.
Darüber hinaus haben wir in verschiedenen Kontexten über die Situation für Schutzsuchende auf dem Mittelmeer informiert und setzen uns dafür ein, dass diese Thematik nicht in Vergessenheit gerät. So haben wir zusammen mit Watch the med-Alarmphone im Juli einen Online-Vortrag unter dem Titel “From the sea to the city - Seenotrettung 2020” organisiert und in Bonn bei einem Konzert der Sängerin Sarah Lesch einen Infostand betreut.



Wir danken allen Spender*innen und Unterstützer*innen, die weiterhin an unserer Seite stehen: Gemeinsam werden wir auch in diesem Jahr für eine solidarische Gesellschaft und gegen die unrechtmäßige Kriminalisierung der IUVENTA-Crew einstehen! 

Euer Jugend Rettet Team