Im August findet ein Sommerlager von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Griechenland statt. Das Sommerlager zielt darauf, junge Menschen unterschiedlichen Alters und Hintergrunds zusammen zu bringen, um gemeinsam aus der Vergangenheit zu lernen und dem einseitigen, negativen Bild, das in den Medien beider Länder vermittelt wird, entgegen zu wirken.
Das Sommerlager trägt den Titel „Home-Habitat-Diaspora“. Im westmakedonischen Griechenland, das von verschiedensten ethnischen Gruppen geprägt ist, ziehen sich diese Begriffe durch die Generationen. Die 12-15 jungen Teilnehmenden aus Deutschland und Griechenland werden eine Woche in der Stadt Kastoria verbringen und sich auf die Spuren, der hier ehemals ansässigen jüdischen Gemeinde, begeben. In der zweiten Woche geht es von Kastoria aus hinauf in die Berge, wo sie die Nachfahren eines Massakers kennenlernen, welches die SS 1944 als „Vergeltungsmaßnahme“ an den Bewohner*innen eines kleinen Bergdorfs namens Klissoura verübte.
Schon fast an der Grenze zu Albanien liegt auf einer Halbinsel die Stadt Kastoria. Kastoria stand abwechselnd unter römischer, byzantinischer, griechischer, bulgarischer und osmanischer Herrschaft, bis es schließlich Teil Griechenlands wurde. Seit dem 15. Jahrhundert war eine jüdische Gemeinde in der Stadt ansässig. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nannten Menschen christlichen, muslimischen und jüdischen Glaubens diese Stadt ihr zu Hause. Das Aufkommen von Nationalstaaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts und vor allem die NS-Besatzung von 1941-1944 bereiteten diesem multikulturellen Leben ein Ende. Heute leben Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Nationalitäten über die Welt verstreut in der Diaspora. Ihnen gemein ist die Erinnerung an ihr verlorenes Leben in Kastoria.
Während des Sommerlagers werden sich die Teilnehmenden mit den verschiedenen Verständnissen von Heimat beschäftigen, als auch mit dazu im Gegensatz stehenden Begriff Habitat. Diaspora wiederum ist stark mit beiden Begriffen verknüpft und scheint eine Brücke zwischen den beiden zu schaffen. Diese drei Schlüsselworte schaffen eine Verbindung der griechische Geschichte bis in die Jetztzeit, da Griechenland, nicht nur historisch gesehen, sondern auch jetzt, als EU-Grenzland, stark von Diskursen über Migration und „Griechisch-sein“ geprägt ist. Darüber hinaus werden die Teilnehmenden einen praktischen Beitrag zur Aufdeckung der multikulturellen Vergangenheit Kastorias leisten, indem sie bei der Entstehung eines jüdischen Museums mithelfen.
In Kleisoura wird unser Aufenthalt ganz im Zeichen der Begegnung mit den Menschen des Dorfes und ihrem Leben stehen. Mit einem Besuch wollen wir Erinnerung an das grausame Massaker von 1944 wach halten und es wieder in das öffentliche Bewusstsein Deutschland und Griechenlands rücken.