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Ein riesiger Schritt fuer Azra!

G. Müller
G. Müller schrieb am 17.10.2008

Liebe Freundinnen und Freunde,

hier kommt nun die fuenfte Fortsetzung des Berichts von Amina Vrana ueber ihre Arbeit mit den Kindern im SEKA-Projekt:

„Heute möchte ich Ihnen gerne weiter von der 8 jährigen Azra erzählen: Während des Erholungsaufenthalts am Meer machte Azra weiterhin große Fortschritte:

 Während der gesamten Zeit beteiligte sie sich mit Eifer an allen Gruppen-Aktivitäten, meldete sich oft sogar für kleine Aufgaben freiwillig. Es gab keine Situation, in der sie sich von der Gruppe zurückzog – im Gegenteil: zu Anfang bemühte sie sich eher zu sehr um die anderen Kinder, machte ihnen Komplimente und zeigte, wie sehr sie ihre Freundschaft suchte.

Dies war für Azra einerseits ein großer Fortschritt; andererseits nutzten zwei der Mädchen ihre Bemühungen aus, um sich über sie lustig zu machen. Sie behandelten Azra „von oben herab“, tuschelten hinter ihrem Rücken und 'verdrehten die Augen', wenn sie etwas sagte.

Es gab insgesamt zu Anfang der Gruppenarbeit in der Kindergruppe eine deutliche Hierarchie und Untergrüppchen, die eine latente Spannung erzeugten. Azra, die geistig behinderte Dina und noch ein Junge wurden von vier der dominanteren Kinder nicht als gleichwertig behandelt.

Durch die Erarbeitung der Regeln („Wie wollen wir uns verhalten, damit wir uns alle in der Gruppe wohl fühlen) am ersten Tag der Gruppenarbeit und durch die Arbeit an den Themen 'Kommunikation', 'Gefühle', 'Konflikte lösen' und 'Vorurteile' veränderte sich das Klima in der Gruppe zusehends. Die Kinder entwickelten mehr Verständnis und Toleranz für einander. Auch Azra fühlte sich dadurch gestärkt und ihr Selbstwertgefühl wuchs.

Dadurch fand sie – mit unserer Unterstützung - selbst einen Weg, ihr Verhältnis zu den beiden Mädchen zu klären: Früher hätte sie sich zurückgezogen, wäre aggressiv geworden, oder hätte erwartet, dass ich für sie ihr Problem lösen sollte. Nun erzählte sie mir auf einem der Abendspaziergänge ihren Kummer, dass die beiden Mädchen sie als Freundin ablehnten. Sie fragte mich um meinen Rat. In unserem Gespräch erkannte sie, dass sie vielleicht manchmal „des Guten zuviel tat“, um die Freundschaft der Mädchen zu erreichen. Wir sprachen auch darüber, dass man Freundschaft nicht erzwingen kann und dass sie das auch nicht nötig hatte. Es gab auch noch andere Mädchen in der Gruppe..... Azra entschied sich, dass sie mit den beiden Mädchen einzeln sprechen wollte – und sie fragen, was sie denn an ihr störte.

Durch diese direkte Aussprache gelang es Azra, aktiv ihr Verhältnis zu den beiden zu klären. Sie wurden zwar nicht 'dicke Freundinnen', aber hörten mit ihrem abfälligen Verhalten auf und bezogen Azra in Zukunft häufiger in ihre Spiele mit ein. Azra ihrerseits war nicht mehr so auf die beiden fixiert und schloss Freundschaft mit einem der anderen Mädchen. Sie war glücklich und stolz, dass sie das selbst erreicht hatte. Sie hatte es – mit nur ein wenig Unterstützung – geschafft, aus der Rolle des Opfers herauszutreten, sich selbst zu behaupten und befriedigende soziale Kontakte zu anderen zu knüpfen.

Azra verlor viele ihrer Ängste – auch durch das Medium Meer: Sie lernte schwimmen und tauchen, gewann Vertrauen, dass das Meerwasser sie trägt. Sie wurde von Tag zu Tag selbstbewusster, fröhlicher und unbeschwerter – als ob eine Last von ihr abgefallen sei. Während des Erholungsaufenthalts emanzipierte sich Azra auch mehr von ihrer Mutter, die sie bisher sehr an sich gebunden hatte – aufgrund eigener Ängste und des Bedürfnisses nach Kontrolle.

Am letzten Abend in Neum konnte ich die Azra, die 8 Monate zuvor mit ihrer Mutter ins SEKA-Haus gekommen war, kaum mehr wiedererkennen: Aus einem schwer traumatisierten, in sich verschlossenen Kind, das Angst vor anderen Kindern und vor jeder Menschenmenge hatte, das keine laute Musik ertragen konnte und vor jedem Kontakt zurückschreckte, war ein Mädchen geworden, dass mit den anderen ausgelassen spielte und tanzte (und das Gedränge war an diesem Abend groß!), das gemeinsam mit den anderen Lieder vortrug und – sogar ein Lied alleine sang. Wenn ich mir die Bilder anschaue – Azras gelöstes glückliches Gesicht sehe, dann fühle auch ich ein tiefes Glücksgefühl und die Gewissheit, dass diese unsere Arbeit in SEKA eine Menge bewirken kann...

Zurück in ihrem Alltag wird Azra sicher noch für eine Weile unsere Begleitung benötigen – aber in Neum hat sie einen riesigen Schritt vorwärts gemacht – ein Erfolg, der ihr Kraft auch für neue Schwierigkeiten und Herausforderungen geben wird....

Ich danke Ihnen allen für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung!

Mit herzlichen Grüßen

Ihre Amina Vrana